Der Umgang mit der Trauer bzw. die Reaktion auf den Verlust ist je nach Alter, Situation und Umfeld unterschiedlich:

  • Regression in eine frühere Entwicklungsstufe – mit verstärkter Anhänglichkeit und Abhängigkeit
  • Aggression – eine Reaktion gegen das Überwältigtwerden von Gefühlen; oft ein versteckter Hilferuf; Mädchen und Buben gehen gewöhnlich unterschiedlich mit Gefühlen um…
  • Sprunghafte Trauer – mit schnellem Wechsel von Gefühlen…
  • Versteckte, unsichtbare Trauer – ein Schutzmechanismus, um die eigene Verletzlichkeit und Unsicherheit nicht zu zeigen
  • Ablenkung und Risikoverhalten – Musik, Sport, Extremes, Lautes…
  • Gegen angeordnete Trauer und Rituale – wobei Bezugspersonen oft enttäuscht reagieren
  • Rückzug und Peergroup-Orientierung – in der Normalität bleiben wollen, ein Halt in der bisherigen Rolle, keine Aufmerksamkeit erwecken wollen; Verständnis in der Peergroup suchen
  • Trauer «vertagen» – das (Familien-)System aufrecht erhalten wollen, die Welt soll so bleiben wie vorher (Reaktion auf Umgebung); stark bleiben wollen

Es gibt auch problematische Trauerreaktionen, die gewöhnlich eine therapeutische Hilfestellung erfordern – auf die hier nicht näher eingegangen wird: z.B. bei auffallend lang andauernder Trauer (länger als 12 Monate), Antriebs- und Energielosigkeit, Nichtanerkennung des Todes, andauernde Hyperaktivität, Nachfolgewunsch, Drogen- und Alkoholkonsum, psychosomatische Auswirkungen, Selbstverletzungen…

Welches sind nun hilfreiche Haltungen in der Trauerbegleitung?

  • Den Schmerz respektieren, die Individualität der Trauer akzeptieren und ernstnehmen; nicht vergleichen mit sich oder anderen
  • Sich selber entspannen, präsent sein, konzentriert zuhören und immer wieder erzählen lassen und dabei auf die Körpersprache achten
  • da sein auch über lange Zeit, eine ehrliche, geduldige und verständnisvolle Unterstützung und Begleitung, dabei auch aktiv auf die Trauernden zuzugehen
  • Freundlich und langsam sprechen, sich kurz fassen; keine Trostworte, die nicht trösten, d.h. den Verlust nicht verharmlosen oder beschwichtigen
  • an wichtigen Gedenk- und Feier-Tagen die Trauernden nicht allein lassen – z.B. Geburtstag, Jahrestag, grosse Feste…
  • Eine innere Stille erzeugen und die eigene Betroffenheit spüren, die Gefühle der Unsicherheit, der Angst und Hilflosigkeit wahrnehmen und zulassen; authentisch sein und unserem Inneren Ausdruck verleihen
  • Geduld haben und Zeit lassen; auch sich selber nicht unter Druck setzen und Raum geben
  • Die verschiedenen Gefühle akzeptieren und annehmen – Gefühle wie Angst, Zorn, Wut, Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit usw. sind normal und legitim, ebenso sie auszudrücken.

Zu Schuldgefühlen, wiederkehrenden Selbstanklagen und Vorwürfen

Schuldgefühle können entstehen u.a. aus negativ verlaufenen letzten Begegnungen mit der verstorbenen Person: Streit, Ärger, ungelöste Konflikte blieben im Raum stehen. Dazu gehören auch Schuldgefühle, sich zu Lebzeiten nicht ausreichend um die Person gekümmert zu haben.

Zur Begleitung: → Die Jugendlichen dabei unterstützen, sich innerlich mit der/dem Verstorbenen zu versöhnen bzw. zu verzeihen (z.B. Brief schreiben).

Schuldgefühle kann es geben, wenn Trauernde zweifeln, ob sie rechtzeitig genug Hilfe geholt oder Anzeichen übersehen haben.

Zur Begleitung: → Einholen genauer Informationen über die Todesursache, Unfallhergang, die Möglichkeiten der Rettung usw. Jugendliche entlasten («objektivieren»).

Schuldgefühle beim Tod durch Suizid sind, versagt oder nichts gemerkt, Suizidankündigungen nicht ernst genommen oder Beziehungen zu wenig gepflegt zu haben.

Zur Begleitung: → Raum zu lassen für alle Gefühle, die in dieser chaotischen Situation auftauchen, aufmerksam zuhören und versuchen, Jugendliche von Schuldgefühlen zu entlasten.

Rituale als Hilfe

Rituale aktualisieren die Trauerarbeit und helfen Probleme zu überwinden. Sie helfen die lähmende Sprachlosigkeit zu bewältigen, Hilflosigkeit zu überbrücken, und vermindern die Gefahr, dass Dinge falsch verstanden werden. Rituale mit ihrer Symbolik, mit dem eigenen Eingebundensein und Vollzug, mit einer klaren Ordnung und auch Wiederholungen, mit dem Ansprechen verschiedener Sinne sowie mit der Dimension der Gemeinschaft wirken integrierend, beziehungsstiftend und helfen im Verarbeitungsprozess.

Jugendliche können – mindestens zeitweise oder für die Dauer des Rituals – aus ihrer Isolation, Verlassenheit und Ohnmacht herausgeholt werden.

Toten- oder Übergangsrituale erleichtern jungen Menschen, den Schock der veränderten Situation zu überwinden, und helfen, die «neue» Situation zu begreifen. In einem Ritual werden junge Menschen aktiviert und aus einer möglichen Handlungsstarre, einem Schock herausgeholt.

Hilfreiche Rituale ohne grossen Aufwand können sein

  • Eine Kerze anzünden und Foto aufstellen
  • Ein Erinnerungsbuch gestalten; einen Brief schreiben (bei Schuldgefühlen evtl. verbrennen…), eine Erinnerungskiste erstellen
  • Samen in die Erde einbringen, einen Baum pflanzen; ein Hoffnungsbild gestalten
  • Den Trauergottesdienst mitgestalten; nach der Beisetzung einen Ort zur Begegnung bzw. zum Gespräch ermöglichen; regelmässige Besuche auf dem Friedhof / der Gedenkstätte

Friedhöfe sind verdichtende Orte. Sie werden mit Kerzen und Erinnerungsstücken geschmückt. Gedenkstätten bieten Raum für das Unbegreifbare und schaffen eine wichtige Distanz zum Alltagsleben, der Tod wird an eine lokalisierbare Stelle gebunden und verliert somit etwas von seiner Bedrohlichkeit. Zudem hat die Trauer einen konkreten sichtbaren Ort, wo auch Begegnungen mit anderen Trauernden möglich sind.

Im Rückblick sagen Betroffene, was ihnen in der Trauerzeit geholfen und ihnen wieder Boden unter den Füssen bzw. Kraft gegeben hat:

In der Natur sein; Musik hören; aus der Erstarrung finden durch Bewegung, Sinneswahrnehmungen…; Gespräche; Menschen, die da sind bei ihnen – und auch Stille aushalten; Gedanken niederschreiben, Gefühle ausdrücken im Malen, Musizieren…; Rituale gestalten und eingebettet sein in den Verlauf des Kirchenjahres mit der reichen und kraftvollen Symbolik und den Feiern in Gemeinschaft (vor allem der Weg nach Ostern); in der Pflege der Spiritualität und verschiedener Gebetsformen; die Geborgenheit in Familie und Partnerschaft; das Mitmachen in Selbsthilfegruppen; Anregungen finden in Hobbies und in verschiedenen Engagements für das Leben…

Zum Schluss:

Das Abschiednehmen ist ein Auf- und Ab. Eine Berg- und Talfahrt – mit innerer Ambivalenz zwischen Auflehnung und Bejahung. Vieles, was nicht mehr ist und geht, darf betrauert werden. Es ist wichtig, dass die Trauernden die verstorbene Person angemessen verabschieden und würdigen, sich mit ihr versöhnen und ihrer Dankbarkeit Ausdruck geben können. In einem Wandlungsprozess darf die verstorbene Person zur inneren, begleitenden Gestalt werden. Schliesslich gilt es, die jungen Menschen zu ermutigen, sich wieder dem Leben zuzuwenden, wieder neuen Sinn und Inhalt zu finden und Gefühle in Neues und in kommende Beziehungen zu investieren.

Es ist uns bewusst, dass die gemachten Hinweise sehr komprimiert daherkommen. Es sollen Impulse sein, sich weiter in die Thematik zu vertiefen, eigene Erfahrungen zu reflektieren und zu einer positiv unterstützenden Begleitung zu ermutigen.