„Kirche Kunterbunt“ ermöglicht wertvolle Familienzeit

Das Format „Kirche Kunterbunt“ kommt ursprünglich aus England. Inzwischen hat es sich auch im deutschsprachigen Raum etabliert. Das Modell spricht drei- bis elfjährige Kinder UND deren Bezugspersonen an. Für Herrn Seel und das Team ist es wichtig, dass Kinder und Eltern miteinander und für sich selbst eine angenehme und segensreiche Zeit verbringen. Statt separatem Kinderprogramm setzt der Jugendpfarrer auf das Miteinander der Generationen und eine lockere Atmosphäre. „Wir erschaffen einen Ort, der es den Familien selbst ermöglicht mit sich und anderen über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen.“

Ein Versuch in Coronazeiten

Normalerweise startet jede „Kirche Kunterbunt“ mit einem gemeinsamen liturgischen Einstieg und endet auch in Gemeinschaft. Dazwischen herrscht an verschiedenen Kreativstationen ein buntes Treiben wie auf einem Marktplatz. Da dies an Pfingsten 2020 wegen Corona nicht möglich war, wagte Herr Seel neue Wege. Er gestalte acht kurzweilige Stationen, in welchen die biblische Pfingsterzählung spielerisch erlebbar wurde. Diese waren im Pfarrgarten als Rundweg angelegt und von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Ein Rundgang dauerte ca. 35 bis 45 Minuten, was bereits in der Einladung mitgeteilt wurde. Jede Familie startete zu einem selbstgewählten Zeitpunkt im eigenen Familienverband und wegen Corona mit genügend Abstand zu den anderen. Dies hatte den Vorteil, dass jede Familie die Startzeit ihren eigenen Bedürfnissen anpassen konnte und an den Posten ungestörte Familienmomente erleben konnte. Herr Seel betont aber auch den entscheidenden Nachteil: «Die Begegnung der Familien untereinander fiel weg. Oftmals entstehen ja gerade aus solchen Kontakten wertvolle Beziehungen.“ Mit welcher Variante das Team nach Corona weitermacht, lässt der Jugendpfarrer im Moment noch offen.

Familien sind offen für neue Formen

«Zur ersten ‘Kirche Kunterbunt’ an Pfingstmontag kamen über 100 Personen. Wir hatten im Team tatsächlich mit weniger Familien gerechnet und es hat uns sehr gefreut, wie gut die Familienkirche angenommen wurde.» Und weiter führt Herr Seel aus: «Als Vater weiß ich selbst, wie intensiv Familien nach Familienangeboten suchen. Die Gärten, Parks und Spielplätze sind jedes Wochenende voll mit Kindern und Eltern. Da ist auch in der Kirche noch viel möglich.»

Von den Teilnehmenden bekamen Herr Seel und sein Team sehr viel Zuspruch und Lob. So sagte z. B. eine Mutter: «Endlich tut die Kirche mal was für Kinder und Familien. Endlich gibt es ein Angebot für uns als Familie.» Die Familien schätzten die gemeinsame Familienzeit und konnten sich als lebendigen Teil von Kirche erleben. „Die Eltern redeten, bastelten und betätigten sich gerne aktiv mit ihren Kindern.“ 

Ist das dann noch ein Gottesdienst?

Es gab aber auch vereinzelt kritische Stimmen. Eine Familie meldete zurück, dass ihnen ein klassischer Familiengottesdienst besser gefällt. «Manchen Familien liegt sehr viel an der Tradition und sie fühlen sich im klassischen Gottesdienst wohl. Das darf sein.» Es ist wichtig, dass es unterschiedliche Angebote gibt, so dass die Familien wählen können, was ihnen entspricht. Herr Seel ist überzeugt: «Es gibt unterschiedliche Arten, wie wir etwas von Gott erfahren können. Wenn Familien zusammen eine gute Zeit verbringen, sie hierbei spielerisch eine Bibelgeschichte erleben und mit ihren Kindern darüber ins Gespräch kommen, ist für Gott sicherlich viel möglich. Mag sein, dass diese sehr offene Form eines Gottesdienstes für manche dann kein richtiger Gottesdienst ist. Für diejenigen gibt es darüber hinaus aber viele andere Gottesdienste.»

Bei den Stationen war für jeden etwas dabei

Die Stationen waren abwechslungsreich und sinnenhaft gestaltet. Die Kunst bestand darin, Jung und Alt anzusprechen. Dabei war es den Familien selbst überlassen, ob und wie sie sich betätigten. Zum Einstieg gab es ein selbst gestaltetes Hörspiel zur Pfingsterzählung. Dies wurde kindgerecht über eine Toniebox (spielerischer Mp3 Player siehe Foto) abgespielt. Daneben lag eine bei Apostelgeschichte 2 aufgeschlagene Bibel.

Sehr beliebt war die „Wind-Station“. Dort gab es eine Seifenblasenmaschine vor einem Ventilator, so dass die Wirkung von Wind anschaulich wurde. Dazu gab es offene Gesprächsanregungen auf Plakaten. Da stand z. B. „Manches in der Welt ist unsichtbar! Wir sehen es nicht direkt, aber wir können es spüren“ und „Welche unsichtbaren Dinge kennt ihr noch?“

Grossen Anklang fanden die Kreativstationen. So wurden bunte Tauben ausgeschnitten und an einer Leine aufgehängt. Ein Plakat mit Erläuterungen zum Symbol Taube und Heiliger Geist gab den nötigen Hintergrund. An einer Station wurden Buttons zu den Früchten des Heiligen Geistes gestaltet und über die eigenen Talente nachgedacht. Zur Thematik „Heiliger Geist als Siegel, das garantiert, dass Jesus in uns lebt“ wurden „Urkunden“ gestaltet und mit einem Siegel die Zugehörigkeit zur Kirche „bestätigt.“

Und weil Pfingsten der Geburtstag der Kirche ist, gab es sogar ein „Feuerwerk“. Hierzu durften die Familien unter Anleitung mit einer speziellen sich drehenden „Farbschleuder“ schöne Feuerwerks-Spritzbilder herstellen. „Eine solche ‘Farbschleuder’ ermöglicht es selbst kleinen Kindern, in kurzer Zeit ein sehr schönes Feuerwerksbild zu gestalten.

Ein Highlight war die Feuer-Fotobox. Hier brannte geschützt in einer Feuerschale ein kleines Feuer. Die Kinder durften Scheite nachlegen und jemand aus dem Team erklärte in einfachen Worten den Zusammenhang von Feuer und Heiliger Geist. Mit einer Sofortbild-Kamera wurde dann ein Foto von der Familie gemacht. Dabei konnten sich die Familienmitglieder gegenseitig an Holzstäben befestigte Papierflammen über ihre Köpfe halten – in Anlehnung dazu, wie es in der Pfingstgeschichte berichtet wird.

Auch Ratebegeisterte kamen bei einem Posten auf ihre Kosten. Es wurden verschiedene Sprachen vorgespielt und mussten richtig zugeordnet werden. Dazu gab es eine Erläuterung, warum Pfingsten für Sprachverständigung steht. Der Rundgang endete in der Kirche vor dem Altar. Dort waren Kinder und Eltern eingeladen, sich mit einem irischen Segen gegenseitig Gottes Segen zuzusprechen. Währenddessen lief im Hintergrund ruhige Gospelmusik in der Dauerschleife.

Persönlicher Kontakt am Anfang und Ende wichtig

Bei der „Begrüssungs-Station“ gab es ein persönliches „herzlich Willkommen“ und alle wichtigen Infos. Mit Sitzmöglichkeiten im Schatten und Spielgeräten wurden Wartezeiten überbrückt. Auch am Ende des Rundweges war jemand aus dem Team vor Ort. Diese Person sorgte dafür, dass die Familie all ihre Schätze wie Feuerwerksbild und Foto mit nach Hause nehmen konnte. Auch erkundigte sie sich, wie es der Familie gefallen hat. Sie fragte nach, ob die Familie weiterhin zu Kirche Kunterbunt eingeladen werden will, wobei die Mailadresse hinterlegt werden konnte. Diese persönliche Begegnung beim Start und Schluss hält der Jugendpfarrer für besonders bedeutsam.

Es braucht engagierte und ideenreiche Mitarbeitende

Für «Kirche Kunterbunt» braucht es ein kreatives Team mit unterschiedlichen Talenten. Von Vorteil ist ein grosses Netzwerk: «Wer könnte uns da unterstützen?» «Wo könnten wir das ausleihen?» «Wer wäre bereit, uns das zu spenden?» … Wie gross der Vorbereitungsaufwand ist, lässt sich über die Gestaltung der Stationen steuern. «Von ganz einfach bis sehr aufwändig ist da alles möglich» gibt Herr Seel zu bedenken. Die Materialkosten für «Kirche Kunterbunt» lagen in Mannheim bisher bei ca. 200 Euro pro Anlass.

Bei der «Familienkirche Kunterbunt» am Pfingstmontag waren sechs freiwillig Engagierte im Einsatz. Ihre Hauptaufgabe war die Betreuung einer Station. Manche Stationen waren so konzipiert, dass sie von den Familien alleine besucht werden konnten. «Wegen des grossen Andrangs wäre es mit acht bis neun Mitarbeitenden leichter von der Hand gegangen.»

Aus den Erfahrungen und Rückmeldungen lernen

Für die zweite «Familienkirche Kunterbunt» waren die Stationen weniger aufwändig gestaltet. «Da war es dann aber so, dass sich die beteiligten Konfirmant*innenteamer fast langweilten, weil die Stationen so selbsterklärend waren. Sie wünschten sich für das nächste Mal eine betreuungsintensivere Station.» Das Fazit von Herrn Seel lautet: «Jede*r im Team braucht eine Aufgabe und will Verantwortung übernehmen.»

Bei der ersten Kirche Kunterbunt an Pfingsten bildete sich in der Zeit zwischen 11 bis 12 Uhr ein größerer Stau. Familien lenkten sich mit Straßenmalkreide und mitgebrachten Essen ab. „Beim zweiten Mal besorgten wir genügend Spielmaterialien und eine Bücherkiste zur Pausengestaltung. Außerdem stellten wir sicher, dass aufwendigere Stationen doppelt angeboten wurden. Auch gab es Getränke und Brezeln auf Spendenbasis. Dies wurde gerne angenommen.“

Beziehungsarbeit ist die beste Werbestrategie

Auf dem Werbeflyer stand: «Was haben Seifenblasen, Tonies, Früchte, Freudentänze, Zelte und ein Lagerfeuer mit Pfingsten zu tun? Komm mit deiner ganzen Familie vorbei und finde es heraus.»

Neben den kircheninternen Werbekanälen wurde die Aktion auch über Kindergärten und Schulen beworben. Die Erfahrung des Mannheimer Jugendpfarrers zeigt: „Die beste Werbung ist der persönliche Kontakt und die Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Das hat bei seiner Nachbarsfamilie sehr gut funktioniert: „Diese haben keinen Bezug zur Kirche und schätzten die offene und lockere Atmosphäre am Pfingstmontag.“ Auch für Tauffamilien und Neuzuzüger eignet sich die „Familienkirche Kunterbunt“ sehr gut.

«Kirche Kunterbunt» in Mannheim vernetzt

In Mannheim wächst «Kirche Kunterbunt» und wird von verschiedenen Kirchen angeboten. Teilweise auch mit ökumenischen Teams. Geplant ist, dass monatlich eine «Kirche Kunterbunt» stattfindet. Dabei will man sich untereinander absprechen und gemeinsam werben.

Danke an Oliver Seel für das offene Teilen seiner Erfahrungen.