Monatliche Feier für Klein und Gross

Der Pastor erklärt: «Familienkirche, das ist ein kleiner Gottesdienst von 30 Minuten für Kinder von 0 bis 7 Jahren mit ihren Eltern, Grosseltern und Paten und allen, die Lust haben dabei zu sein. Wir treffen uns einmal im Monat am Freitag um 16 Uhr.»

Alle feiern miteinander

Bei der Familienkirche kommen Jung und Alt. Auch Grosseltern mit ihren Enkelkindern sind da. Und das ist nach Herrn Altebockwinkel auch das Geheimnis: «Sich mit allen Generationen auf Augenhöhe treffen und alle einbeziehen und ernst nehmen.» Den Kindern gibt es Sicherheit, wenn die vertrauten Bezugspersonen bei ihnen sind. Das entspricht ihren Bedürfnissen.

Laut Herrn Altebockwinkel meinen manche Erwachsene beim ersten Besuch: «Diese Feier tut meinem Kind gut. Deshalb gehen wir da hin.» Recht schnell merken sie dann, dass auch sie bei dieser Feier auftanken können und wie erholsam die gemeinsame Zeit ist. Denn auch die Eltern sollen positive religiöse Erfahrungen machen. Weiter führt er aus: «Bei der Familienkirche machen alle mit. Alle singen mit und machen Bewegungen dazu. Es geht nicht darum, die Kinder zu bespassen. Das ist die Haltung und das Selbstverständnis von uns.»

Das Format spricht Familien an

Das Modell Familienkirche wird geschätzt und gut besucht. Herr Altebockwinkel beobachtet, dass auch Familien kommen, welche sonst nicht so mit der Kirche verbunden sind.

«Wir hatten sogar schon ein aus der Kirche ausgetretenes Paar, welches mit ihrem Kind zur Familienkirche kam. Dies hat zu einem Wiedereintritt der Mutter geführt und zur Taufe des Kindes. Kirche in einem anderen Gewand, kann für Eltern ein Schritt zur Kirche sein».

Manche Familien sind sporadisch dabei, andere besuchen die Familienkirche sehr regelmässig. Das Konzept ist bewusst offen angelegt. Die Familien sind dankbar, dass es ein solches Angebot für Familien gibt. Das hört der Pastor immer wieder. Dabei kommen auch Familien aus Nachbargemeinden, welche einen längeren Fahrtweg in Kauf nehmen.

Freundliche Begrüssung erleichtert das Ankommen

Gefeiert wird vor dem Altar. Die Kinder sitzen auf Sitzkissen, dahinter im Halbkreis die Erwachsenen. Für die ganz kleinen Kinder gibt es einen Krabbelteppich.

Die Glocken läuten. Die Kinder werden aufgefordert, den letzten Ton zu erlauschen. Wer schafft das? Dann wird es einen Moment ganz still. Der Pastor begrüsst die Mitfeiernden. Alle schauen sich um und begrüssen sich gegenseitig. Manchmal gibt es auch eine Namensrunde. Diese «Ankommensrunde» verbindet die Feiernden und stiftet Gemeinschaft.

Lieder mit Bewegungen

Nach der Begrüssung singen alle das Eingangsslied mit Gitarrenbegleitung. Singen ist bei der Familienkirche ein zentrales Element. Der Pastor führt aus: «Bei unseren Liedern können alle mitsingen. Die Lieder sind vertraut. Kinder lieben solche Wiederholungen. Drei Klassiker sind ‘Einfach spitze’‘Schwappdidu’ und ‘Immer und überall’

Ab und zu gibt es auch ein neues Lied, welches zum Thema passt. Wichtig ist generell ein Liedtext mit einer guten Botschaft für alle. Generell wählt der Pastor Lieder mit wenig Text, weswegen es kein Liederheft braucht. Kinderlieder sind dabei nicht automatisch geeignet. Oft haben diese mehrere Strophen und viel Text. «Oft singen wir auch nur den Refrain oder eine Textzeile, welche wiederholt wird. Zu allen Liedern gibt es passende Bewegungen. Da können alle mitmachen, auch wer den Text nicht kann. Zentral ist, dass einer die Bewegungen vormacht und sich alle daran orientieren können.»

Der Altar wird aufgebaut

«Nach dem Willkommenslied bauen wir immer den Altar auf. Er befindet sich auf Kinderhöhe. Kreuz, Bibel, Blumen und Kerze werden vom Altar genommen und davor aufgebaut. Das wird mit wenigen Worten begleitet. Das genügt, denn alle sehen ja, was passiert.»

  • Weißes Altartuch: «Es ist ein besonderer Tag, denn wir feiern Familiengottesdienst.«
  • Kreuz: «Wir feiern in Gottes Namen.«
  • Bibel: «Wir hören heute Worte und Geschichten aus der Bibel.«
  • Blumen: «Für unsere Feier soll es schön geschmückt sein.«
  • Osterkerze (noch aus): «Das Licht bedeutet für uns, dass Jesus immer dabei ist.«

Der Altar bringt Gott in die Mitte

Herr Altebockwinkel erläutert: «Der grosse Altar ist für die Kinder weit weg. Der Bau des kleinen Familienkirchenaltars ist ein sinnenhafter und festlicher Einstieg, um bei Gott anzukommen. Jetzt steht der Gott der Kleinen und Grossen im Mittelpunkt. Wichtig ist, dass vorab alles bereitgestellt wird.»

Manchmal wird der Altar auch weitergeschmückt, je Thema und Jahreszeit. Zum Erntedankmotto «Ich bin dankbar für …» wurde der Altar mit verschiedenen Alltagsgegenständen dekoriert, für die wir dankbar sind. So konnten alle beim Anblick von Znünibox, Spielsachen und Gemüse überlegen: «Wofür bin ich dankbar?»

Alle meine Sorgen, werfe ich auf dich, mein Gott

Nach dem Altarbau wird die Osterkerze entzündet. Es wird hell. Jesus ist mitten unter uns. Diese Symbolsprache verstehen auch schon kleine Kinder.

Es folgt das «Kyrie-Gebet» mit Bewegungen:

Wir nehmen all unsere Sorgen, Ängste, Probleme und drücken sie in einen imaginären Ball zusammen. Dabei sprechen wir: «Alle meine Sorgen, werfe ich auf dich (Wurf in Richtung Kerze), mein Gott (Hände in die Höhe)denn du sorgst für mich (Hände über Kreuz vor die Brust).»

In dieses Sorgengebet kann alles hineingelegt werden, was schwer und belastend ist. Das tut gut und soll Platz haben. Danach singen alle das Lied «Die Kerze brennt».

Die Bibel ist immer dabei!

Im Anschluss folgt eine Bibelgeschichte. Herr Altebockwinkel erzählt: «Wir wählen eine Geschichte, die jeder versteht und die von elementaren Grunderfahrungen spricht.» Dabei liegt der Fokus auf der symbolischen Ebene, denn diese Botschaft erreicht Kinder und Erwachsene. «Was die Kinder anspricht, das spricht auch oft uns Erwachsene an und hat für alle Relevanz. So haben wir zum Beispiel einmal vom Hirtenjungen David erzählt, der von Gott zum König erwählt wurde und entdeckten dabei, dass wir auch König:innen sind.»

Ein anderes Mal wurde das Festgleichnis aus dem Lukasevangelium erzählt: «Stellt euch vor, da bereitet einer eine ganz tolle Geburtstagsparty vor und die Freunde wollen alle nicht kommen. Da öffnet er sein Haus für alle und die Party wird gefeiert! Das Gleichnis wurde nachgespielt und es gab Smarties für alle. Selbstverständlich durf­ten Luftschlangen, Luft­ballons und weiterer Ge­burtstagsschmuck nicht fehlen!»

Die Geschichten werden abwechslungsreich präsentiert

Der Pastor berichtet: «In der Vorbereitung setzt sich das Team intensiv mit der Geschichte auseinander: Wo berührt die Geschichte uns? Was sagt der Text Kindern und Erwachsenen?» Das Wesentliche wird in den Mittelpunkt der Feier gerückt und methodisch vielfältig präsentiert. Mal wird die Erzählung mit Figuren und Materialien erzählt. Auch Bilderbuchkino und Kurztheater kommen zum Einsatz. Eine gute Visualisierung hilft vor allem den Kindern.

Emotionale Seite der Geschichte verstärken

Nach der Erzählung folgt keine Erklärung oder lange Predigt. Allenfalls gibt es manchmal einen einzelnen Gedanken für die Erwachsenen. Dies begründet der Pastor so: «Die Botschaft steckt in den biblischen Texten selbst und spricht Kinder und Erwachsene an. Grosse und kleine Leute machen sich selbst ihre Gedanken dazu. Dabei verstehen die Kinder die Geschichte vielleicht anders aber nicht falsch. Es soll sich eine Kultur der Nachdenklichkeit entwickeln.»

Auch wird bewusst auf eine Bastelarbeit verzichtet. «Der Vorbereitungsaufwand beim Basteln ist hoch und man weiss auch nie so genau, wie viele kommen.

Dennoch gibt es an dieser Stelle der Feier einen Moment zum «selber tun» und «miterleben». Das sind dann ganz einfache Dinge, die allerhöchstens 5 Minuten dauern. So wurde z. B. schon aus Blumen ein grosses Naturmandala gelegt.  Die Erzählung «Heilung des Gelähmten» wurde in kleinen Gruppen in Hängematten nachgespielt und nachgespürt. Bei der Erzählung vom Propheten Elia, dessen Kraft zu Ende war, durften sich die Kinder schlafen legen und ein «Engel» ging umher und verteilte stärkende Kekse. Bei der Schöpfungsthematik wurde auch schon Erde und Regenwürmer mitgebracht und mit den Worten begleitet: «Das alles hat Gott geschaffen. Aber etwas fehlt noch …» Dann wurde eine Schatzkiste mit einem Spiegel herumgereicht, wo sich die Kinder selbst bestaunen konnten.

Wir zünden ein Meer aus Kerzen an

Fester Bestandteil ist das Kerzenritual: «Wir zünden jetzt eine Kerze an, um Gott danke zu sagen für das Schöne und Helle in unserem Leben.» Jedes Kind erhält eine kleine Stabkerze und zündet sie an der Altarkerze an. Die entzündeten Kerzen werden in eine Schale mit Sand gestellt. Die Erwachsene helfen bei dieser kleinen Kerzenprozession mit und zünden selbst auch eine Kerze an. Dabei erleben sie selbst die Faszination von Symbolhandlungen. Der Pastor ist überzeugt: «Liturgie braucht sichtbare Zeichenhandlungen. Für jeden brennt ein Licht. Das spricht für sich.» Parallel wird das Gloria-Lied «Sanna, Sannanina» gesungen. Dies ist ein sehr dichter, konzentrierter Teil der Feier.

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern

Beim Beten mit Kindern ist dem jungen Pastor wichtig, den Körper einzubeziehen. Ganzheitliches Beten entspricht den Kindern und hilft auch den Erwachsenen, weil wir ohne Leib nicht Mensch sein können.

Ein wiederkehrendes Gebet in der Familienkirche lautet: «Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen». Selbstredend, dass es auch hier wieder Bewegungen gibt. Das animiert vor allem die kleinen Kinder, welche noch nicht so textsicher sind und kommt dem Bewegungsdrang der Kleinen sehr entgegen. Der Text lautet: «Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen (hüpfen), mit meinem Gott kann ich lauthals singen (Singhaltung), mit meinem Gott kann ich meine Angst bezwingen (krümmen – aufrichten), mit meinem Gott sehe ich das Gute in den Dingen (Daumen hoch), mit meinem Gott kann mir alles gelingen (Muckis zeigen), mit meinem Gott kann ich über Mauern springen (hüpfen). Amen.»

Sich segnen lassen und geselliger Abschluss

Der Gottesdienst endet mit einem Segensgebet, welches auch wieder von Bewegungen begleitet wird: «Gott segne dich und behüte dich (Hand über den Kopf der Nachbar:in), Gott schenke dir Kraft und Mut (Hand auf die Schultern), Gott schenke dir Frieden (wir reichen uns die Hände). Amen.» Dann wird gemeinsam der Refrain des Segensliedes «Sei behütet auf allen Wegen» gesungen.

Wer mag, bleibt noch zum gemeinsamen Essen. Auch das ist bewusst einfach gehalten. Es gibt Laugengebäck und Apfelmost. Die Erwachsenen kommen miteinander ins Gespräch und die Kinder können spielen. Dieser gesellige Abschluss ist bei den Familien beliebt.

Während Corona ist es etwas anders

Coronabedingt hat das Team neue Formate ausprobiert. Aktuell beginnt die Feier mit Glockengeläut, Begrüssung und Bewegungsliedern vor der Kirche. Danach bekommen alle am Eingang eine Kerze ausgehändigt und treten ein. Die Kerzen werden an der Osterkerze entzündet. Danach wird der Altar aufgebaut und die Bibelgeschichte erzählt. Es folgt eine kleine Prozession nach draussen, wo nochmals gesungen wird und die Feier mit einem Segen und dem Schlusslied endet.

Familienkirche ist Teamwork

Damit Familienkirche gelingt, braucht es ein verlässliches Team, welches sich gut ergänzt. Aktuell arbeiten bei der Familienkirche von Herrn Altebockwinkel drei freiwillig Engagierte unterschiedlichen Alters mit. Sie übernehmen Verantwortung und bilden sich weiter. «Als Pastor muss ich nicht immer in der ersten Reihe stehen. Das entlastet mich und macht den Mitarbeitenden Freude, wenn sie z. B. die Bibelgeschichte erzählen.»

Arbeitsbelastung überschaubar halten

Das feste Gerüst der Familienkirche macht den Vorbereitungsaufwand überschaubar. «Wir machen ein Vortreffen von ca. 1,5 Stunden. Dort beschäftigen wir uns mit dem Bibeltext und verteilen die Aufgaben. Kurz vor der Feier treffen wir uns für den Aufbau und üben ev. das Kurztheater.» Der Pastor fasst zusammen: «Familienkirche ist nicht spektakulär. Beim Spektakulären besteht oft die Gefahr, dass man schnell wieder aufhört. Bei der Familienkirche stimmen Aufwand und Ertrag. Die Aufgaben sind für das Team leistbar.»

Werbung ist wichtig

Was hinzukommt ist Zeit und Energie für die Werbung. «Wichtig ist hier der persönliche Kontakt und die Beziehungsarbeit. Aber auch Kanäle wie facebook und Pressemitteilung für die Lokalzeitung gehören dazu.»

Das macht die Familienkirche in Brockel aus …

  • Ein ritualisierter und einfacher Ablauf, so dass sich alle zuhause fühlen.
  • Es gibt viel zu sehen und ist abwechslungsreich, so kommt keine Langeweile auf.
  • Sinnenhafte Elemente, viel Bewegung und Wiederholung.
  • Kurze und einprägsame Lieder und Gebete.
  • Höchstens 30 Minuten, nie länger!
  • Erste positive Erfahrungen mit Kirche und Kirchenraum ermöglichen. „Das können die Kinder nicht in Worte fassen, aber sie spüren die Verbundenheit.“

Modell von Jochem Westhof adaptiert

Ursprünglich wurde das Modell Familienkirche vom Theologen Jochem Westhof entwickelt.

Einige seiner wichtigsten Grundsätze lauten:

  • «Das war uns wichtig von Anfang an, dass es auch unser Gottesdienst ist, nicht eine für andere geplante Veranstaltung, sondern für uns Erwachsene und für unsere Kinder gefeiert, so, wie wir uns lebendige Gottesdienste vorstellen.» [1]
  • «Die Liturgie trägt uns durch den Gottesdienst. Sie bringt uns zur Ruhe, sie stellt Gott in den Mittelpunkt. Die Liturgie bleibt in ihrem Ablauf immer gleich.» [2]
  • «Alle Teile des Gottesdienstes sollen auch alle grossen und kleinen Leute ‘verstehen’. Sie verstehen sie sicherlich unterschiedlich, die Kinder wohl eher auf der emotionalen Ebene, die Erwachsenen eher auf der analytischen Ebene, die fragt: Was soll uns das sagen? Doch es ist ein gemeinsames Erleben und manchmal ein gemeinsamer Austausch, sogar später zu Hause zwischen Eltern und Kindern.» [3]

Herr Westhof hat einige Bücher zum Thema Familienkirche veröffentlicht. Für Herrn Altebockwinkel waren diese Bücher vor allem zu Anfang sehr hilfreich. «Das ist eine Fundgrube an Ideen» erwähnt er. Mit der Zeit hat das Team mehr eigene Ideen ausprobiert und zu einer eigenen Familienkirchen-Liturgie gefunden. Dieses feste liturgische Gerüst hat laut dem Pastor zwei Vorteile: «Die Kinder mögen den ritualisierten Ablauf. Das Vertraute gibt Sicherheit und macht Freude. Zudem entlastet es das Team.»

 

Danke an Ralf Altebockwinkel für das offene Teilen seiner Erfahrungen.