Dialog

Die Gaben stehen auf dem Altar, der Gesang ist verklungen, das längste Gebet der Messe kann beginnen – die Mitfeiernden richten sich neu aus. Jeder kennt die Kraft, die von einem guten Anfang ausgeht. Wenn wir zusammen etwas unternehmen, ist das noch einmal wichtiger. Das Eucharistische Hochgebet beginnt mit einem Dialog zwischen dem Priester und dem Volk.

Priester in der Versammlung des Volkes

Auch wenn nach dem Dialog nur noch der Priester spricht, handelt und spricht durch ihn die versammelte Gemeinschaft. „Der Priester … will nicht als isolierter Beter, sondern nur als Sprecher der Gemeinde vor Gott hintreten. So kommt durch Ruf und Gegenruf … die wohlgeordnete Gemeinschaft zum Ausdruck, die hier tätig wird.” (Josef Andreas Jungmann)

Ein Teil des Dialogs entspricht dem, was in der Volksversammlung in einer griechischen Stadt der Antike gerufen wurde: áxios! Würdig ist das! Richtig! Mit dem Ruf áxios bestätigte das Volk wichtige Entscheide, eine Wahl oder die Übernahme eines Amtes. Am Ende des Eucharistischen Hochgebets kehrt diese Bewegung von Ruf und Gegenruf noch einmal wieder: Der Priester beendet das Gebet mit dem Lobpreis „durch ihn und mit ihm …” und das Volk antwortet mit einem (hoffentlich) lauten Amen: Richtig! So ist es! Der Dialog am Beginn des Hochgebets und der abschliessende Lobpreis mit seinem Amen sind wie ein Rahmen um das Ganze.

Wer ist der «Herr»?

Für einen guten Beginn können Christen nicht nur auf sich selbst schauen – und sei ihre Gemeinschaft untereinander noch so intensiv. Sie können nur von Gott her beginnen und mit ihm. Dies geschieht am Anfang der Messe und am Anfang des Hochgebets mit dem liturgischen Gruss: „Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste”. Wer ist gemeint mit „der Herr”? Im Neuen Testament ist das Christus. Als zum Beispiel Thomas den Auferstandenen erkennt, antwortet er ihm mit dem Ausruf „Mein Herr und mein Gott!” (Johannes 20,28) Die Liturgie folgt hier wie auch sonst oft der Bibel.

Nach oben!

Der biblische Bezug wird durch den zweiten Ruf und Zuruf noch deutlicher: „Erhebet die Herzen. Wir haben sie beim Herrn.” Die Gläubigen werden aufgefordert ihre Herzen Christus hinzuhalten, sie dorthin zu richten, wo er ist. Wo Christus ist, da wollen die Herzen von Christen sein. Eine Begründung für die Ausrichtung der Herzen nach oben und damit für die Logik des guten Beginns steht im Kolosserbrief: „Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische …! Denn ihr seid gestorben und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott.” (Kolosser 3,1-3)

Aufrechte Menschen

Die Getauften sind in Christus erhoben, sie sind aufrechte Menschen und so war der Ruf in alten Quellen buchstäblich eine Aufforderung zum Stehen (vgl. Geistlicher Impuls: zweiter Satz). Wenn sie Herz und Verstand, ihren ganzen Sinn auf das Himmlische richten, dann tun sie das, weil dort Christus ist und in ihm ihr eigenes Leben. Die Betenden überschreiten mit ihrem Gegenruf sich selbst auf Christus hin – natürlich nicht aus eigenem Vermögen, sondern in der Kraft des Hl. Geistes, der in uns betet und seit Pfingsten Menschen zur Begegnung mit Christus führt.

Der Gott und Vater Jesu

Das Herz hat nach dem zweiten Ruf und Gegenruf also sein Ziel gefunden: Christus den Auferstandenen und in ununterbrochener Gemeinschaft mit dem Vater Lebenden. Im dritten Ruf und Gegenruf richtet sich das Herz an diesem Zielpunkt neu aus: „Lasset uns danken dem Herrn, unserem Gott.” Wieder ist vom „Herrn” die Rede, jetzt aber wird er „unser Gott” genannt. Das ist die in verschiedenen Varianten vorkommende alttestamentliche Bundesformel: „Ihr sollt mein Volk sein, ich will euer Gott sein” (z.B. Jeremia 30,22). Der Priester fordert die Gläubigen also auf, sich an den Vater zu wenden wie Christus und mit ihm und in ihm. Sie nehmen die Gebetsrichtung ein, die von Jesus in den Evangelien überliefert, in der Offenbarung des Johannes für den Auferstandenen bestätigt und von den Eucharistischen Hochgebeten übernommen wird: zum Vater hin.

Mit beiden Beinen auf der Erde – und im Himmel

Der erste Satz nach dem Dialog bestätigt diese Ausrichtung der Herzen in Christus auf den Vater. Zum Beispiel in der zweiten Präfation für die Sonntage im Jahreskreis: „In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und das Werk deiner Gnade zu rühmen durch unseren Herrn Jesus Christus.” Dass die Herzen ihren Ort weit über sich gefunden haben, wird spätestens dann deutlich, wenn die Feiernden mit beiden Beinen auf dem Kirchenboden stehend doch mit allen himmlischen Chören Gott ihr „Heilig, heilig, heilig” zurufen. Der gute Beginn mit dem Dialog entfaltet seine Himmel und Erde umspannende Kraft.

Geistlicher Impuls

“Wenn das Gebet wirklich aus dem Herzen kommen soll, muss der Geist wach sein und sich zur tiefsten Andacht sammeln. Wenn wir aber dastehen und beten, geliebteste Brüder, so müssen wir wachsam und mit ganzem Herzen auf das Gebet bedacht sein. Jeder fleischliche und weltliche Gedanke sei dann ferne, und der Geist denke an nichts als allein an das, um was er betet! Deshalb schickt auch der Priester vor dem Gebet einige einleitende Worte voraus und bereitet die Herzen der Brüder vor, indem er sagt: ‘Die Herzen in die Höhe!’, damit die Gemeinde, die darauf antwortet: ‘Wir haben sie beim Herrn’, daran erinnert wird, dass sie an nichts anderes als an den Herrn denken darf.”