1. Katechese als Einbettung in die Grundvollzüge von Kirche

Die Katechese als Einführung in Glauben, Kirche und persönliche Gottes- und Jesusbeziehung lässt sich aus den drei Grundvollzügen von Kirche ableiten. Sie steht in enger Verbindung mit der Liturgie (Darstellungs- und Ausdrucksform des Glaubens), Martyria (Zeugnis und Konkretion des Glaubens) und Diakonie (bewusstes solidarisches Handeln).

Die Koinonia (Gemeinschaft) bildet das Fundament und die Klammer dieser kirchlichen Grundvollzüge. Die Kirche als Glaubensgemeinschaft wird selbst zum Sakrament.

Einen besonderen Aspekt dabei spielt die diakonische Ausrichtung der Katechese. Katechese dient grundsätzlich den Menschen und nicht der Institution. Darin ist die Ausrichtung der Katechese und deren Ziele begründet. Katechese fördert und ermöglicht ein diakonisches Bewusstsein, welches sich im konkreten Handeln zeigt.

2. Orte des religiösen Lernens

Katechese kann als ein Teil religiösen Lernens verstanden werden. Religiöses Lernen geschieht in verschiedenen Lernorten.

Familie

Die Familie als Ort religiösen Lernens ist abhängig von Eltern, Geschwistern, Verwandten oder dem sozialen Nahbereich. Im Zentrum stehen die religiöse Praxis, das Feiern und Gestalten von Ritualen oder das Leben religiös-geprägter Werthaltungen im Alltag. Emotionale Erfahrungen, Gewohnheiten und Vorbildlernen spielen dabei eine wichtige Rolle. Aber auch die Erfahrung des Miteinanderlebens ist prägend. So bekommt die Familie eine wichtige Funktion für die religiöse Sozialisation.

Schule

Die Schule ist ebenfalls Ort des religiösen Lernens (konfessioneller/ökumenischer Religionsunterricht). Durch fachlich ausgebildete Lehrpersonen (staatliche oder kirchliche) wird religiöses Grundwissen vermittelt. Es werden eine erste, anfanghafte theologische Reflexion eingeübt und christlich geprägte Werte vermittelt und entwickelt. Durch eine kompetenzorientierte Ausrichtung wird ein gezieltes und geordnetes Lernen gefördert. Der konfessionelle Religionsunterricht in der Schule hat durchaus eine performative Ebene, jedoch keine Funktion für die direkte religiöse Sozialisation.

Pfarrei/Pastoralraum

Rituale-Praxis: Die Pfarrei/Pastoralraum ist ein weiterer Ort des religiösen Lernens. In der Liturgie werden durch theologisches Fachpersonal religiöse Rituale und religiöse Praxis gestaltet.  In der Liturgie geschieht der Ausdruck des Glaubens. Die Menschwerdung Gottes bildet dabei den Kern.  Aber auch theologisches Wissen und christliche Haltungen werden formuliert und vermittelt. Durch Ästhetik, Predigt, Ritual und konkretem Erleben kann eine wichtige Form religiöser Sozialisation passieren.

Sakramentenkatechese: Ebenfalls in der Pfarrei/Pastoralraum geschieht durch geschultes Fachpersonal und Ehrenamtliche die Sakramentenvorbereitung. Die Einführung in die Eucharistie (Erstkommunion), in das Versöhnungssakrament und in das Firmsakrament betrifft dabei ausgewählte Gruppen. Religion wird in der Gemeinschaft konkret gelebt. Es werden Lebenseinstellungen weiterentwickelt und religiöse Selbstfindung gefördert. Das Miteinanderleben, die gemeinsamen Erfahrungen, emotionale Stimmungen und spezielle Erlebnisse bilden die konkreten Formen. Aber auch die Einführung in die Sakramente selbst steht im Zentrum. Dabei bilden die Vorbereitung und das gezielte Lernen auf einen bestimmten Anlass einen entscheidenden Kern. Diese Sakramentenvorbereitung dient nebst der persönlichen Glaubensentwicklung vorab auch der religiösen Sozialisation.

Jugendarbeit: Die kirchliche Jugendarbeit in der Pfarrei/Pastoralraum, verantwortet von entsprechendem Fachpersonal, Ehrenamtlichen und Jugendlichen selbst, legt den Schwerpunkt ihrer Ausrichtung gezielt auf die Erfahrbarkeit von Religion in der Gemeinschaft. Zudem soll die Entwicklung und Reflexion von persönlicher Lebenseinstellung im Kontext christlicher Weltdeutungen und Werthaltungen gefördert werden. Dabei ist die religiöse Selbstfindung das eigentliche Ziel. Mit entsprechenden Erlebnissen erfährt sich der Jugendliche als religiös bestimmter Mensch. Dabei ist der individuelle Zugang zu Religion prägend. Es geht also primär um die religiöse Selbstfindung und Lebensbewältigung und damit aber niederschwellig auch um konkrete religiöse Sozialisation.

Erwachsenenbildung: Die kirchliche Erwachsenenbildung wird von theologischen Profis und Fachleuten umgesetzt. Sie setzt sich zum Ziel, interessierten Erwachsenen theologisches Wissen aber auch christlich geprägte Grundlagen für Lebenshilfe zu bieten. Es steht ein gezieltes Lernen und eine gezielte Auseinandersetzung mit biografischen Prozessen im Zentrum. Die Erwachsenenbildung kann als religiöse Bildung und individuelle Lebensgestaltung verstanden werden.

Kultur und Öffentlichkeit

Ungezielte und z.T. unitendierte religiöse Lernprozesse passieren in der Öffentlichkeit, in Medien (Zeitschriften, digitale Medien, Fernsehen, Radio, Musik, Film usf.) aber auch in der gestalteten Umwelt (religiöse Artefakte wie Kapellen, Kirchen, Bildstöcke, Wegkreuze usf.) Kunstdenkmäler oder Kunst (Musik, Literatur, Architektur).  Mündliche Traditionen, Rituale und Volksglaube sind ebenso Vermittlungsinstanzen wie konkrete Menschen (Redakteure, Programmmacher, Werber usf.). Dabei werden jedoch auch Formen des unausgesprochenen und teilweise unreflektierten Glaubens vermittelt und Klischees, negative und positive Vorurteile, unangebrachte Vereinfachungen oder Provokationen weitergegeben.

3. Herausforderung: Heterogenität

Nachdem das Bewusstsein der gesellschaftlichen Vielfalt sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten demokratisiert hat, bringt dieses Bewusstsein eine neue Herausforderung auch für die Katechese. Angestossen auch durch die Sinusstudie, welche eine Beschreibung der Gesellschaft in verschiedenen Milieus mit entsprechenden sozialen Schichten und Werthaltungen vorlegt, stellt sich die Frage, wie sich Katechese als Möglichkeit religiöser Sozialisation und persönlich-religiöser Selbstentwicklung (Individualisation) verstehen lässt. Diese Fragestellung wird auch innerkirchlich durch die Wende zum Subjekt des 2. Vatikanums angestossen. Diese neuen Voraussetzungen benötigen eine ausdifferenzierte Antwort. Die Herausforderung durch das Weltbild der Vielfalt (Stichwort: Heterogenität) ist wohl unbestritten für die Kirche in der jetzigen Zeit eines der entscheidendsten, aber auch schwierigsten Entwicklungsmomente. Versteht man diese Vieldimensionalität heisst dies, dass individuelle Prozesse und differenzierte Wege zukünftig entscheidend werden und sich darin gerade das Wesen religiöser Sozialisation zeigt. Vereinfachte Korrelationen (Verbindung zwischen Leben und vorgegeben Glaubensinhalten) sind nicht mehr möglich. Vielmehr sind konstruktivistische Zugänge zu Glauben und Glaubensleben bestimmend. Die Ausdrucksweisen, was „Glaubensgemeinschaft“, „Kirche“, „Tradition“ oder „Sakrament“ bedeuten, werden vielgestaltige und differenzierte Formen erhalten.

4. Herausforderung: Veränderte Religiosität

Aus dieser Heterogenitätsthese wird auch begründbar, warum sich äusserlich eine Veränderung der religiösen Praxis und des religiösen Bewusstseins ergibt. Religion und der damit zusammenhängende persönliche Glaubensvollzug haben nach ihrer letzten Hochkonjunktur (1920-1970) einen Bedeutungsverlust in der Gesellschaft, aber auch für das Individuum erhalten. Kannte man das Phänomen des identitätsstiftenden Charakters von praktizierter Religion und religiösen Überzeugungen für den einzelnen aber auch für die Gesellschaft, ist diese Funktion teilweise oder vollends weggebrochen.

Jedoch beruft sich die Gesellschaft oder Einzelne punktuell, vorab in Krisensituationen (Kontingenz), auf religiöse Praktiken und religiöse Weltdeutungen zurück. Diese punktuelle und individuelle Rückbesinnung und Inanspruchnahme religiöser Riten oder religiös-christlicher Weltdeutungen ist selbst Teil des heterogenen Weltverständnisses, gesellschaftlich und individuell. Die Gefahr liegt dabei darin, dass unangebrachte und falsche Vereinfachungen (Simplifizierungen) sowie unreflektierte Glaubenszugänge eine höhere Bedeutung im Umgang erhalten. Deshalb braucht es eine vertiefte gesellschaftliche und individuelle Auseinandersetzung mit Religion. Diese Auseinandersetzung braucht entsprechend Zeit, Intensität und Ausdauer.

5. Differenzierte Katechese bei der Sakramentenvorbereitung

Aus pastoraler Sicht sind Sakramente oft die einzigen „Kontaktzonen“ mit der Kirche. Gegen aussen prägen die Sakramente den Gesamteindruck von Kirche. Sie sind weniger von ihrer inhaltlichen Ausrichtung als vielmehr von ihrer Ästhetik und der Art der Kommunikation bestimmt. Sakramente bieten die Gelegenheit, dass die Kirche auch mit Menschen in Kontakt kommt, die eher distanziert sind.

Sakramente als Gestaltung der Knotenpunkte des Lebens bekommen darin eine besondere Bedeutung. Sie nehmen Kontingenzsituationen auf (Versöhnung) oder stellen Lebensübergänge dar (z.B. Aspekt der Firmung – Selbstentscheidung für Gemeinschaft).

Die Motivation für Sakramente ist jedoch häufig sozialer oder familiärer Natur und die religiöse Dimension spielt eine kleinere Rolle. Es fehlt auch häufig die Praxis mit Sakramenten, weil diese nur punktuell erfahren werden.  Darin liegt auch ein Grund, warum sakramentale Zeichenhandlungen und die sakramentale Symbolik für viele fremd sind.

Das Sakrament wird – gerade von kirchlich fern Stehenden – im Sinne einer Dienstleistung verstanden und die Feier des Sakramentes bildet einen punktuellen Familienanlass.

Bisherige Modelle der katechetischen Tätigkeit, vorab geltend für die Einführung in das Eucharistie-, Buss- und Firmsakrament, sind von einem grundsätzlichen „Einführungsgedanken“ geprägt. Entsprechend werden Einführungen auf verschiedenen Ebenen umgesetzt: In der Pfarrei als ausserschulischen Lernort, teilweise in der Schule im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts und in der Erwachsenenbildung. Grundsätzlich dabei ist, dass die Modelle linear und aufeinander aufbauend konzipiert sind. Zu Beginn steht der Entschluss, die Einführung zu machen, nachher wird ein Programm nach bestimmten Vorgaben und inhaltlichen Grundkonzepten durchgeführt. Diese eher statischen Modelle lassen zwar inhaltlich eine innere Differenzierung zu, jedoch sind sie strukturell oftmals ohne Alternativen oder wenn, dann wiederum in einer Wahl, die die Gleichwertigkeit voraussetzt.

Auf der Grundlage des heterogenen Weltbildes müssen sich für die Konzeption ein Bewusstsein und eine Haltung einstellen, damit gerade bezüglich des letzten Punktes  eine Veränderung nötig wird und im Sinne einer strukturellen und inhaltlichen Differenzierung erweiterte oder gar neue Entwicklungen in Gang gebracht und entsprechende Umsetzungen erarbeitet werden.

Der Kontext zur Entwicklung neuer Wege in der Sakramentenvorbereitung ist ganz konkret, aus der Heterogentitätsthese ableitbar, mit folgenden Stichworten zu beschreiben:

  • Es bestehen völlig unterschiedliche familiäre, soziale, religiöse und kirchliche Voraussetzungen bei Kindern, Jugendlichen und Eltern. Demgegenüber steht jedoch oft ein einheitliches, mit wenig Auswahl, konzipiertes Einführungsmodell der Pfarrei.
  • Eltern und besonders alleinerziehende Elternteile fühlen sich zunehmend belastet und überfordert, haben wenig Zeitressourcen und wenig Sinn für Engagement in der Katechese, im Gottesdienst und in der Pfarrei.
  • Die Erwartungen und Vorstellungen von Eltern und SeelsorgerInnen an der Sakramentenvorbereitung differieren zunehmend und gehen damit immer mehr auseinander.
  • Die KatechetInnen und Ehrenamtlichen empfinden eine grosse Verantwortung. Dabei drohen Überforderung und Frustrationen, bleibt doch eine Mehrzahl der Eltern „aussen vor“.
  • Die Suche nach geeigneten KatechetInnen zeigt sich als immer schwieriger und wird nicht selten mühsam.
  • Der konfessionelle Religionsunterricht innerhalb der Schule wird für die Sakramentenvorbereitung direkt und auch für Nicht-Wissens-Aspekte genutzt.
  • Das Fest hat einen hohen Stellenwert und einen entsprechenden Mobilisierungsgrad.
  • Die Vorbereitungsphase führt nicht dazu, dass nach dem Fest die Kinder und Jugendlichen wesentlich aktiver am pfarreilichen Leben mitmachen.
     

6. Strukturelle Voraussetzungen für eine differenzierte Sakramentenkatechese

Fest

Die Vorbereitungswege werden nicht aufbauend, sondern modular konzipiert. Im Zentrum steht die Feier des Festes. Vorbereitung und Durchführung des Festes bilden den Kern der Vorbereitung.

Verpflichtende Grundangebote

Aus einer vorgegeben Anzahl Grundangebote werden eine bestimmte Anzahl zur Vorbereitung verpflichtend angeboten. Inhaltlich werden im Sinne der Elementarisierung konkrete Inhalte aufgearbeitet, welche das Sakrament ausmachen. (Beispielsweise 2 von 3)

Wahlangebote

Ergänzend zu den wählbaren Modulen werden weitere Angebote konzipiert, welche wählbar sind.

Erwachsenenbildung

Parallel zu den Angeboten für die Kinder/Jugendlichen wird ein freiwillig wählbarer Erwachsenenbildungskurs zu Theologie und Kirche angeboten.

7. Planungspunkte

Wählbarkeit

Die Wählbarkeit der Angebote bekommt einen besonderen Stellenwert, denn diese führt zur motivationalen Steigerung bei den Beteiligten und zur eigenständigeren Auseinandersetzung. Der Zeitraum der Durchführung wird über 6 Monate vor dem Fest angesetzt.

Inhaltliche Differenzierung

Der Differenzierungsgrad zeigt sich in struktureller aber auch inhaltlicher Art. Grundangebot sind Basismodule für das Verständnis und die Einführung in das Sakrament. Sie können verschiedenartig gestaltet werden. Die Wahlangebote können Vertiefungen oder weitere Perspektiven aufnehmen.

Erwachsenenkurs

Der Erwachsenenkurs ist für interessierte Erwachsene gedacht, welche sich durch den äusseren „Anstoss“ der Sakramentenvorbereitung der eigenen Kinder/Jugendlichen phasenweise für theologische und kirchliche Wissensthemen interessieren.

Keine Bewertung der Wahl

Die Mitplanungen der Inhalte der Grundmodule und Wahlmodule ist je nach Alter miteinzubeziehen. Die Partizipation der Beteiligten bildet einen Kern des Modells. Der Grad der Teilnahme seitens der Eltern und der Kinder/Jugendlichen wird nicht bewertet.

Konfessioneller Religionsunterricht

Der konfessionelle Religionsunterricht in der Schule wird nicht für die Grund- oder Wahlmodule gebraucht. Auch die Vorbereitung des Festes und das Fest selbst sind ausserhalb des konfessionellen Religionsunterrichts in der Schule anzusetzen. Wissensinhalte, beispielsweise biblische Geschichten, die einen Bezug zu den Sakramenten haben, können im konfessionellen Religionsunterricht Platz haben.

Planungen

Die Planungen können in den neu geschaffenen Pastoralräumen von entsprechenden KatechetInnengruppen gemeinsam gemacht werden. Die Durchführung kann je nach Situation angepasst umgesetzt werden. Die Inhalte der Module sollen die Aspekte der Liturgie, Martyria, Diakonie aufweisen. Entsprechende Inhalte werden ausgearbeitet.

Symbole

Die Sakramente selbst enthalten eine grosse Zahl von Symbolen, welche performativ im Gottesdienst wirksam werden. In der Vorbereitung soll spezifisch auf die Symbole der Sakramente eingegangen werden und diese als Grundlage der inhaltlichen Vorbereitung genommen werden.

8. Planungsschema

9. Leitfragen für die Planungen

  • Wie können wir vor Ort, gemeinsam mit den Religionsunterrichtsverantwortlichen, katechetische Tätigen und Pastoralraum/Pfarreileitenden den partizipativen Planungsprozess gestalten? Wie können wir uns organisieren, damit ein partizipativer Planungsprozess mit den Beteiligten (Leitungspersonen – Religionsunterrichtsverantwortlichen – katechetische Tätigen) möglich wird?
  • Auf welcher Zeitachse wollen wir die Prozesse starten? Wer übernimmt den Lead für den Prozess?
  • Welche Stärken – Schwächen – Chancen – Risiken sehen wir mit der Ausrichtung der Differenzierten Katechese vor Ort?
  • Welche Unterstützung brauchen wir für den Prozess?
  • Wie können wir die Stärkung der pfarreilichen/pastoralraumbezogenen Katechese fördern?