Gemeindekatechse ist eine Frucht der Gemeindekirchenbewegung der 1970er und 80er Jahre. Im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils zielte sie auf eine Beteiligungskirche mit echter Gemeinschaft und aktiver Teilnahme aller.

Die erhoffte Verlebendigung wurde nur zum Teil eingelöst, weil das damit verbundene Gemeinschaftsideal aktiver Partizipation und dauerhafter Beheimatung in der Pfarreifamilie die Menschen schlicht überforderte. Ein Teil der Distanzierung von Kirche ist aber „auch auf die nur spärlich angebotenen Entwicklungsmöglichkeiten über den Kinderglauben hinaus zu wachsen“ (Jakobs126) zurückzuführen. Leitsatz 6 des „Leitbilds Katechese im Kulturwandel“ (2009) fordert daher: „In Zukunft sind besonders für Erwachsene entsprechende Angebote aufzubauen.“

Relecture angesichts veränderter Bedingungen

Der Kern der Selbstwidersprüchlichkeit des gemeindetheologischen Konzepts gründet in seinem ambivalenten Verhältnis zur Freiheit, bilanziert Hildegard Wustmans die Diskussion. Ähnlich wie das Papsttum im 19. Jahrhundert und ebenso emotional aufgeladen, zog die Gemeindetheologie enorme Rettungsphantasien einer durch die moderne Gesellschaft und ihre ganz anderen Lebensstile unter Druck geratenen Kirche auf sich – wenn auch diesmal bei den eher modernitätsfreundlichen Teilen der Kirche. Zeitweilig hat der Versuch, Kirche von einer amtszentrierten Heilsinstitution zu einer quasifamiliären gemeindlichen Lebensgemeinschaft umzuformatieren, recht erfolgreich funktioniert. Wie die Milieuforschung zeigt, sind Gemeinden heute jedoch nur für einen überschaubaren Personenkreis ein Ort, an dem sie sich einbringen und wohlfühlen.

Die nicht einfache Aufgabe besteht darin, „Formen der Vergemeinschaftung in der christlichen Gemeinde zu finden, die dem Alltag und dem Lebensrhythmus der Menschen entsprechen, eine Vergemeinschaftung am Ort mit unterschiedlichen Verbindlichkeiten und Intensitäten zu schaffen sowie die Möglichkeit einer zeitweiligen Begrenzung.“ (Jakobs 124) Dies erfordert von der Gemeindekatechese einen Paradigmenwechsel: „Sie wird Abschiednehmen müssen von einer sozialisierenden, Dauerkommunikation voraussetzenden oder zumindest erwartenden Katechese, die sich primär an Kinder und Jugendliche richtet und über sie die Erwachsenen zu erreichen sucht, zugunsten einer evangelisierenden Katechese, die jedem mit seinem jeweiligen Interesse den Zugang solange ermöglicht, wie er oder sie dies wünscht.“ (Lutz 308)

Kirche bei Gelegenheit – neue Gelegenheiten von Kirche

Inspirierend ist der von Christiane Bundschuh-Schramm und Eckhard Raabe stark gemachte Blickwechsel von einer integrierenden zu einer impulsgebenden Pastoral. Gemeinden stellen sich heute drei grosse Herausforderungen:

  • Sie dürfen nicht in die Falle der Selbsterhaltung treten. „Richtiger wäre es zu fragen, was Menschen in ihrer derzeitigen gesellschaftlichen wie individuellen Lebenssituation brauchen an Begleitung oder Hilfestellung und was entsprechend die Gemeinde, aber auch andere kirchliche Sozialformen leisten müssen, damit diese Funktion von Kirche, nämlich Lebensbegleitung, erfüllt wird. Viele der Aktivitäten und Angebote, die heute vermeintlich standardmässig zu unseren Gemeinden gehören, die tagaus-tagein routiniert abgearbeitet werden, um Gemeinden attraktiv zu gestalten, und die oft die Ursache für Stress und Arbeitsüberlastung bei Haupt- und Ehrenamtlichen sind, liessen sich buchstäblich entrümpeln.“ (Haslinger 72)
  • Sie dürfen sich nicht auf die regelmässig Praktizierenden fokussieren. Dann geraten die aus dem Blick, die in der Gegenwartgesellschaft zunehmen: Suchende, Interessierte, Unentschiedene. Religionssoziologische Erhebungen zeigen, dass sich die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung zwischenden klar profilierten Polen der Institutionellen, Alternativreligiösen und Indifferenten bzw. Religionsgegner befindet. Dennoch glauben sie nicht nichts, vielmehr charakterisiert sie eine unscharfe institutionendistanzierte Religiosität. „Lebensübergänge und Krisen bilden religionsproduktive Phasen, in denen Fragen gestellt und Lebensentwürfe neu entwickelt werden müssen. Die Auseinandersetzung mit sich selbst und mit Gott bedarf in diesen Situationen offener Impulse, die persönlich weiterentwickelt werden können. Suchprozesse können in Gang kommen, wenn Suche unterstützt wird.“ (Bundschuh-Schramm/Raabe 32)
  • Die Studie „Die unbekannte Mehrheit“ (2006) zur Kasualienfrömmigkeit von KatholikInnen belegt eine Diskrepanz zwischen gemeindekirchlichem Selbstverständnis und mehrheitlicher Nutzung als rituelle Lebensbegleitungskirche. Anstelle der vielfach ausladend-exkommunizierenden Tendenzen braucht es eine Wertschätzung punktuell-gelegentlicher Kirchlichkeit im Vertrauen auf vielfältige Chancen und Orte des Glaubens. Nicht integrieren wollen, sondern Impulse zu setzen und damit Gott, die Menschen und die Kirche freigeben: Dazu braucht es spirituelle Weite, die es Seelsorgenden ermöglicht, Menschen eine Zeit lang zu begleiten und wieder freizugeben in der Zuversicht, dass Gnade erlebt wurde und Erfahrung nicht verloren. Das setzt den inkarnatorisch-mystagogischen Blick auf Gottes Wirken am Grund des Lebens eines jeden Menschen voraus, der nicht auf Eingemeindung, sondern auf das Einheimisch- und Wirksamwerden des Evangeliums in lebensgeschichtlichen Situationen setzt. Dies erfordert „die Demut, Gott nicht zu besitzen, sondern mit den Menschen und in ihren Lebenswelten entdecken zu wollen […] Gott ist schon vor Ort. Aber das ‚Ereignis Gott‘ aufzuspüren, von ihm zu sprechen und den entdeckten Gott zu beschreiben […], die Entdeckung des Evangeliums in bisher unbekannten (Lebens-) Welten ist die pastorale Aufgabe der Gegenwart schlechthin“ (Bundschuh-Schramm/Raabe 31f.). Kirche, die sich so nutzen lässt, hat keine Angst davor, ‚ausgenutzt‘ zu werden, weil ihre Impulse biographisch und spirituell so relevant und christlich profiliert sind, dass sie Menschen helfen, dass ihnen ihr Leben gelingt.