Gott hat den Menschen männlich und weiblich geschaffen (Gen 1, 27).

Wenn hingegen in der Bibel von Mensch die Rede ist, dann sollen damit nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden. Demnach ist Menschlichkeit folgerichtig auch geschlechtslos.

Im Unterricht sind wir mit ähnlichen Spannungsfeldern konfrontiert: Einerseits gilt es die Geschlechter in ihrer Unterschiedlichkeit zu würdigen, andererseits aber auch ihnen eine individuelle Entwicklung jenseits der Geschlechterrollen zu ermöglichen.

Daher gilt es als erstes, das Geschlecht wahrzunehmen als einen zentralen Faktor, der das Verhalten prägt, wie auch umgekehrt die Wahrnehmung das Verhalten beeinflusst.

Das Geschlecht der Lehrperson beeinflusst Motivation und Verhalten

Sowohl Mädchen wie auch Jungs sind in ihrer Entwicklung mit verschiedensten Herausforderungen konfrontiert, die ihnen immer wieder Schwierigkeiten bereiten – bis hin zu Krisen. Dies wiederum ist eine Herausforderung für Bezugspersonen. In der Form, wie sich die Krisen manifestieren, spielt das Geschlecht mit eine Rolle: So wird weit weniger von Problemmädchen gesprochen als von Problembuben. Unter letzteren können sich alle etwas vorstellen. Problembuben haben in der Regel typische Bubenprobleme – einseitige Vorbilder, nervenden Bewegungsdrang, lehnen alles Weibliche ab – mitunter auch den Religionsunterricht. Mit ihrem problematisierten Verhalten bilden sie ihr Bild von Männlichkeit ab. Eine Männlichkeit die sich konturlos an entfernten Superstars und Helden oder dann aber in Abgrenzung zum Weiblichen definiert.

Hat Menschlichkeit ein Geschlecht?

Die Schule ist einer der wichtigsten Orte des gesellschaftlichen Wandels in einer Zeit geschlechtsbezogener Umstellungen. Der Religionsunterricht sieht sich damit konfrontiert, dass er in der sich schnell verändernden Welt eine Konstante darstellt, die oft als nicht aktuell, veraltet und traditionalistisch abgewertet wird. Nichtsdestotrotz bedeutet Religion jedoch auch die Chance, eigene Werte und ethische Haltungen zu diskutieren und Identität und Zugehörigkeit zu entwickeln. Wenn KatechetInnen ihre Rolle in der Begleitung heranwachsender Mädchen und Jungen bewusst als Chance wahrnehmen, werden diese darauf reagieren und ihr eigenes Rollenbild und –Verhalten entwickeln. Es gehört zum Auftrag als Bezugsperson, Kinder in dieser Entwicklung zu fördern. Dabei ist es unerlässlich auch „Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder“ bewusst zu machen, ungleiche Lebenschancen zu thematisieren, um damit zur Geschlechtergerechtigkeit bzw. Menschlichkeit beizutragen. Dabei genügt der Ansatz „Ich als Lehrperson behandle alle gleich“ als Konzept nicht mehr und sollte ersetzt werden durch den Ansatz „Ich als männliche/weibliche Lehrperson reagiere individuell als Frau/Mann in meiner Rolle als Lehrperson auf Mädchen oder Jungs entsprechend deren Anlagen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Sozialisation im kulturellen Zusammenhang.“

Geschlechterbewusster Unterricht erkennt die Vielfalt der sich verändernden Geschlechterbilder auch über unsere zweigeschlechtlichen Festschreibungen hinaus, lädt zur Auseinandersetzung und Reflexion ein und entwickelt dementsprechende Angebote.

Fokus: Jungen im Fachunterricht Religion

Der Religionsunterricht unterscheidet sich in einigen Punkten vom regulären Schulunterricht. Auf den ersten Blick fällt (nicht nur uns, sondern auch den Jungs) schon einmal auf, dass vor allem Frauen unterrichten. Zudem sind aus Sicht der Sozialisation von Buben und den aktuellen Prägungen und Zuschreibungen, einige der bearbeiteten Bereiche besonders sensibel. Ähnlich wie beim normalen Unterricht sollten Mädchen und Jungs jedoch gleichermassen gefördert werden. Gerade dafür gilt es dabei im Speziellen die sensiblen Bereicheaus der Anordnung und den Inhalten des Religionsunterrichts zu kennen. Dementsprechend ist es von Vorteil Themen ganz bewusst den Geschlechtern angepasst einzuführen und zu bearbeiten.

Interesse, Motivation und aktives Lernen bringen Kinder mit, wenn sie sich angesprochen fühlen und einen direkten Bezug zu sich selbst herstellen können. Dies wird durch viele verschiedene Komponenten beeinflusst. Aus dem Bereich der schulischen Bubenarbeit sind einige Themen bekannt, die besonders bei Jungs verstärkend wirken.

Hier ein Beispiel eines sensiblen Bereichsim Zusammenhang von Religionsunterricht und Bubenarbeit mit einem Interventionsvorschlag:

Fakt: Ethik und Religion wecken für Jungs ungewohnte Gefühle und Emotionen.

Mögliche Auswirkung:Jungs sind irritiert. Die mündliche Formulierung überfordert sie. Sie stören den Unterricht.

Intervention:Brücken bauen zum Themenzugang über ‚Bubenwelt‘ (z.B. auch Sport- oder Filmidole)

Thematik mit Bubendidaktik stützen; Handelnd mit Bewegung erleben (Im Gegenzug von ‚nur‘ Hören oder Reden)

Nicht zuletzt sollten auch die Stunden in ihrer Didaktik und Aufbau an die unterschiedlichen Voraussetzungen der Geschlechter angepasst werden. Hier ein Beispiel:

Fakt: Fachunterricht in separatem Schulraum:

Nicht immer sind diese Räume passend für den Unterricht, zu gross, zu klein, unpassend möbliert, wenig didaktisches Material….

Mögliche Auswirkung:Das Wohlfühlen im Raum ist eine nicht unwesentliche Komponente für gutes Lernen und Lernklima. Ungeeignete Räumlichkeiten, Inventarien können das Lernen, insbesondere Lernverhalten erschweren. Speziell ‚weiblich geschmückte‘ Räume oder enge Platzverhältnisse lassen beim Jungen kein „Heimatgefühl“ entstehen. Sie zerstören Mobiliar oder Arrangements/Dekoration.

Intervention:Raumsituation analysieren, ev. auch mit Merkblatt / Checkliste.

Möglichkeiten zur Veränderung prüfen, nach Möglichkeit umsetzen, neu beurteilen. Ev. unter Einbezug der Kinder (Partizipation). Aussenraum einbeziehen.

Gezielte Beobachtung mit Fokus Geschlecht, Analyse und Reflexion und danach geschlechterbewusste Intervention ermöglichen neue Brücken zu „Problemjungs“ – und diesen wiederum einen Zugang zum Religionsunterricht.