1. Grundüberlegungen

1.1 Was bietet ein «gutes» Lehrmittel?

Im Zusammenhang mit dem kompetenzorientierten Unterricht kommt dem Einsatz entsprechender Lehrmittel ein hoher Stellenwert zu. Sie steuern den Unterrichtsprozess und sind auch für die inhaltlichen Schwerpunkte des Unterrichts von grosser Bedeutung (Reusser et al. 2010). Lehrmittel – und damit sind alle Formen von Lehrmaterialien wie Bücher, Arbeitshefte, digitale Medien usw. gemeint – haben jedoch in Bezug auf die einzelnen Fächer verschiedene Aufgaben, angefangen von einer lehrgangartig ausgerichteten bis hin zu einer «dienenden» Funktion. Lehrmittel sind dabei als Materialsammlung für die Planung und Gestaltung des eigenen Unterrichts zu sehen, wobei sie ebenfalls Perspektiven auf das Wesen des fachlichen Lernens mit dem entsprechenden Lernverständnis widerspiegeln (Adamina 2017).

Die Frage nach einem «guten» Lehrmittel ist zwar nicht neu, stellt sich aber im Kontext der geforderten Kompetenzorientierung durch aktuelle Lehrpläne in erweiterter Form. Deshalb darf die im Zuge der Umsetzung der neuen kompetenzorientierten Lehrpläne aufgestellte Forderung nach entsprechenden Lehrmitteln als weiterer Schritt in der Entwicklung des kompetenzorientierten Unterrichts interpretiert werden.

In Bezug auf die Qualitätsentwicklungen von Lehrmitteln sind in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Kriterienkataloge entwickelt worden. Wegweisend für den deutschen Sprachraum ist neben dem «Reutlinger Raster» (Rauch et al. 1986) besonders der «Bielefelder Raster» zur Grundlage geworden (Laubig et al. 1986), in welchem fünf Dimensionen aufgeführt werden:

a) Metatheorie mit den Kategorien des erkenntnisleitenden Interesses, Aussagenanalyse, Begriffsbildung, Werturteile, Ideologiebildung

b) Schulbuchdesign im Sinne von Struktur, Typologie, Grafik, Farbe

c) Fachwissenschaftliche Kategorienebene der sachlichen Richtigkeit, des aktuellen Standes der Erkenntnis im Fachbereich, Kontroversität, Methoden

d) Fachdidaktische Kriterien mit den entsprechenden fachdidaktischen Ansätzen, Lernziel- und Problemorientierung, der Reduktion und Transformation

e) Erziehungswissenschaftliche Bezüge durch das pädagogische Konzept, Funktion des Lehrmittels, Textarten, Formen der Interaktion und Kommunikation.

Der «Bielefelder Raster» ist insbesondere auf die Geisteswissenschaften bezogen und erhält damit auch für die Religionspädagogik durchaus eine entsprechende Relevanz (Niehaus et al. 2011).

Ebenfalls von Bedeutung ist der «Wiener Katalog» von 1998. Darin werden die bisherigen Kategoriensysteme mit folgenden Kriterien weiterentwickelt:

a) Lehrplanentsprechung

b) Kriterien des Lehr- und Lernverständnisses

c) Kriterien zur formalen und inhaltlichen Gestaltung, Aktualität, Motivation

d) Aspekte wie Rollenbilder, Lotsenfunktion zu weiteren Materialien und Medien, Altersentsprechungen oder Varianz von Aufgabenstellungen

(Bamberger 1998; nach Adamina 2017, S. 27)

Aus dem Qualitätskatalog zum europäischen Schulbuch-Award sind in der Folge weitere wichtige Kategorien genannt, welche in Bezug zu aktuellen Erkenntnissen aus der Lehr- und Lernforschung stehen. Die Innovation liegt dabei auf der Entwicklung und Umsetzung von differenzierten Aufgaben- und Materialangeboten, dem Bedarf nach strukturierten, dialogischen Lernprozessen, nach situiertem Lernen sowie nach fachbezogener und übergreifender Kompetenzorientierung. Diese Orientierung an grundlegenden Kompetenzen – am kumulativen Lernen, am Strukturieren von ganzheitlichen, umfassenden Lernprozessen in Verbindung mit einer erweiterten Aufgabenkultur sowie an der Differenzierung in gehaltvollen Lernumgebungen, an der Forderung nach den entsprechenden überfachlichen Kompetenzen wie auch am Begutachten und Beurteilen von Lernprozessen und Lernergebnissen (Adamina 2017, 28) – stellt heute für die Entwicklung von Lehrmitteln in allen fachdidaktischen Disziplinen ein wesentliches Fundament dar.

Im schweizerischen Kontext sind 2013 von der Interkantonalen Lehrmittelzentrale zehn Kategorien für das gute Lehrmittel genannt, welche auch die bisherigen Modellentwicklungen aufnahmen. Gute Lehrmittel fördern

1) die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler,

2) unterstützen das eigenständige Lernen,

3) enthalten vielfältige und aktivierende Lernaufgaben,

4) bieten eine sachgerechte Aufarbeitung der Inhalte,

5) sind in einer verständlichen Sprache verfasst,

6) fördern durch ihre Gestaltung den Lernprozess bei Schülerinnen und Schülern,

7) beziehen neue Medien mit ein,

8) unterstützen die Lehrpersonen,

9) sind vielseitig einsetzbar und

10) enthalten auch Diagnose- und Beurteilungsinstrumente. (ilz 2013)

Für die Lehrmittelanalyse und -entwicklung stellt die Interkantonale Lehrmittelzentrale mit dem Evaluations-Tool Levanto 2.0 ein aktuelles Instrument zur Verfügung. Dabei sind es

– der pädagogisch-didaktische Bereich,

– der thematisch-inhaltliche Bereich,

– der formal-gestalterische Bereich und

– der digital-interaktive Bereich,

die insgesamt, durch 58 Kriterien ergänzt, die Beurteilung von Lehrmitteln ermöglichen und gleichzeitig auch ein Raster für die Entwicklung darstellen.

Dabei sind innerhalb des pädagogisch-didaktischen Bereichs einzelne Kriterien mit dem Fokus auf Lehrplankongruenz, auf die Gestaltung von Lernprozessen, auf die Zielgruppenorientierung und auf die Individualisierung und Beurteilung zu umfassen.

Die thematisch-inhaltliche Dimension nimmt – auswahlweise an dieser Stelle erwähnt, aber für die Weiterentwicklung der bisherigen Kategorien doch relevant – die Diversität, die inhaltlichen Aspekte in Bezug auf die Genderfrage, Bezüge zu überfachlichen Kompetenzen, die Sprachförderung, aber auch den Aspekt der Einbettung in Vor- und Folgemittel in den Fokus.

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung werden ganz explizit für den digital-interaktiven Bereich verschiedene Dimensionen mit den entsprechenden Kriterien genannt. Eine Weiterführung der Fragestellung nach Lehrmitteln in einer digitalen Welt ist mit dem gleichnamigen Katalog im Auftrag der Interkantonalen Lehrmittelzentrale an der Pädagogischen Hochschule Schwyz entstanden. Darin sind nebst den pädagogisch-inhaltlichen und lerntheoretischen Aspekten auch weitere – rechtliche, wirtschaftliche oder technische – Rahmenbedingungen beschrieben (Döbeli et al. 2018).

Im Bewusstsein des weiten Blickwinkels und der in der Praxis wohl nur bedingt vollständigen Umsetzung bei der Entwicklung von Lehrmitteln stellen die Kriterien ein gutes Instrument für die Evaluation und Entwicklung dar.

1.2 Was bedeutet dies für die Religionslehrmittel?

Die einzelnen Kriterienkataloge sind als allgemeine Beschreibungen zu werten, die für alle Fachdisziplinen gültig sind und als Grundlage für die Entwicklung von Lehrmitteln dienen können. Bezüglich der Entwicklung von Religionslehrmitteln dürfen die aktuellen fächerübergreifenden Beurteilungskriterien für Lehrmittel von Levanto 2.0 trotz ihres doch recht grossen Umfangs als gute Grundlage für die Weiterentwicklung eines spezifisch religionspädagogischen Katalogs herangezogen werden.

Jedoch zeigt sich eine Spezifizierung und Weiterentwicklung in Bezug auf Religionslehrmittel an – so beispielsweise auf das im Levanto-2.0-Katalog formulierte Kriterium, dass ein Lehrmittel verschiedene Werthaltungen und Ansichten wiedergibt und gegenüber Religion neutral ist.

Sollen sich jedoch Lehrmittel an den Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans für Religionsunterricht und Katechese LeRUKa des Netzwerks Katechese mit den entsprechenden Inhalts- und Handlungsaspekten, aber auch den entsprechenden didaktischen Grundlagen orientieren, bekommt gezwungenermassen dieses «Neutralitätskriterium» einen anderen Stellenwert. Was für Lehrmittel zum Beispiel in Fächern wie Geschichte oder auch Biologie sinnvoll erscheint, wird für Religionslehrmittel natürlich zu einer neuen Perspektive.

In Bezug auf Religionslehrmittel ist dabei die fachdidaktische Unterscheidung zwischen einem «teaching about resp. from religion» und «teaching in religion» besonders bedeutsam. Im deutschschweizerischen Kontext gibt es die Unterscheidung zwischen dem Fach Ethik-Religion-Gemeinschaft als eine von vier Fachperspektiven in NMG für den Zyklus I und II oder als eigenes Fach im Zyklus III. Komplementär dazu wird in vielen Kantonen (ausser beispielsweise in Bern) ein kirchlich-konfessionell gebundener Unterricht in der Schule angeboten.

Diese didaktische Unterscheidung, die sich formal auch in den beiden Fächern «Kirchlicher Unterricht» und «Ethik-Religionen-Gemeinschaft» zeigt, führt dazu, dass Lehrmittel für den kirchlichen Unterricht – im Gegensatz zum schulischen Religionsunterricht – nicht neutral im Sinne des Nicht-Stellungsnehmens sein können.

Die im Levanto 2.0 beschriebenen Kriterien zur Förderung der Sprachfähigkeit für das Fach wie auch jene bezüglich der sprachlich-gestalterischen Dimension eines Lehrmittels bekommen im religionspädagogischen Kontext eine grosse Bedeutung. In der religionspädagogischen Arbeit besteht der Anspruch einer entsprechenden Performanz (Mendl 2016), welche sich in hermeneutisch-sprachlichen Prozessen verwirklicht, wie sie sich beispielsweise bei biblischen Texten (Luz 2014) oder in Bildern oder Darstellungen zeigen.

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung (Palkowitsch-Kühl 2017) und den entsprechenden lernpsychologischen Erkenntnissen und didaktischen Herausforderungen ist der Anspruch an die Lehrmittel – auch für den Religionsunterricht und die Katechese – entsprechend gestellt (Döbeli et al. 2018).

Inwieweit auch die Beurteilungs- und Diagnosekultur im Kontext des kirchlichen Religionsunterrichts seine Bedeutung hat, scheint im Moment noch eher unklar. So erhält der entsprechende Anspruch an die Lehrmittel im Moment noch eher eine marginale Rolle; verständlicherweise auch deshalb, weil im kirchlichen Religionsunterricht an der Schule hierzulande in den meisten Fällen weder eine summative noch eine formative Bewertungskultur umgesetzt wird. Es besteht schlicht keine entsprechende pädagogische Tradition.

1.3 Der spezielle Fokus: die Lernaufgabe

Im Rahmen des Anforderungsprofils für gute Lehrmittel sind es letztlich die Lernaufgaben mit den entsprechenden inhaltlich aufgearbeiteten Materialien, welche den Kern des Lehrmittels ausmachen. In der Konstruktion der Lernaufgaben mit dem entsprechenden Material sollen die Merkmale eines guten Lehrmittels umgesetzt oder zumindest mitberücksichtigt sein. Somit müssen jedoch nebst den Merkmalen eines guten Lehrmittels auch die Qualitätskriterien für Lernaufgaben beschrieben sein. In Bezug auf einen kompetenzorientierten Unterricht sollen aktivierende Aufgaben die Schülerinnen und Schüler dazu anleiten, die Vielfalt der Mit- und Umwelt wahrzunehmen, bedeutsame Situationen, Kontexte, Phänomene und Sachen zu erschliessen, sich in ihrer Mit- und Umwelt zu orientieren und darin verantwortungsbewusst zu handeln.

Lernaufgaben

– nehmen aktuelle, lebensweltliche Bezüge auf und knüpfen an Vorwissen an

– ermöglichen aktives, forschend-entdeckendes und projektorientiertes Lernen und lassen verschiedene Lernwege zu

– ermöglichen das Nachdenken und die Reflexion über die Welt

– lassen Raum für partizipativ-kooperative Planungs- und Mitgestaltungsprozesse vonseiten der Schülerinnen und Schüler und regen zu Stellungnahmen, Beurteilungen oder Handlungen an

– fördern die Denk-, Arbeits- und Handlungskompetenzen bei den einzelnen Schülerinnen und Schülern und fördern das eigene Entwickeln, Gestalten und Mitwirken bei Projekten

– sind herausfordernd und auf verschiedenen Anforderungsniveaus konstruiert

– sind inhaltlich strukturiert und erfüllen den Anspruch der didaktischen Rekonstruktion, durch die keine Komplexitätsreduktion und damit Banalisierung, aber eine Komplexitätsbearbeitung möglich wird

(Adamina 2017; Bloom 1973; Hanisch 2011; Leisen 2011; Willems 2011; Schwarzkopf 2016)

Grundsätzlich sind die konkreten Lernaufgaben der Motor zur Kompetenzerreichung im Unterricht und die Planung von Unterricht muss von dieser Perspektive her konkretisiert werden, wobei entsprechende Planungsschritte umgesetzt werden.

In der Bearbeitung der lehrplanbezogenen Kompetenzorientierung durch Lernaufgaben wird der oben beschriebene Anspruch bezüglich Werthaltung und Religion umgesetzt. Dieser Anspruch an die Lernaufgaben kann jedoch nur dann eingelöst werden, wenn diese in Bezug zur sachgerechten Aufarbeitung der Inhalte stehen. Hinter dieser sachgerechten Aufarbeitung der Inhalte steht, dass die Lehrmittel entsprechende deklarative und konzeptionelle Wissensstrukturen aufweisen, was gerade für die Sache «Religion» von besonderem Stellenwert ist. Professionelle Lehrpersonen müssen diese Wissensstrukturen selbst verstehen, damit sie Lernprozesse bei den Lernenden initiieren können, die dem Anspruch eines fortschreitenden, verknüpfenden und kumulativen Lernens entsprechen (Schambeck 2017). Hier liegt auch eine Verbindung zu dem im religionspädagogischen Umfeld bekannten didaktischen Prinzip der Elementarisierung (Nipkow 1986). So wird in den einzelnen Lernaufgaben das Prinzip der «elementaren Struktur» umgesetzt, was die Konzentration auf fundiertes, aufgrund der Analyse herausgearbeitetes Konzeptwissen bedeutet. Damit wird nicht nur eine Banalisierung des Inhalts vermieden, sondern auch die entsprechende Komplexität religiöser Sachverhalte ernst genommen, dies mit Bezug auf den kompetenzorientierten Lehrplan. Mit den elementaren Erfahrungen werden die spezifischen Erfahrungen und die Lebenswirklichkeiten der Kinder in Bezug auf den Lerngegenstand gesetzt und damit wird auch auf das Vorwissen und auf die Vorerfahrungen Bezug genommen, was im Zusammenhang mit dem konstruktivistischen Lernverständnis eine entscheidende Relevanz erhält. Die spezifischen entwicklungspsychologischen Voraussetzungen der Kinder sind für die Konstruktion von Lernaufgaben von entscheidender Bedeutung, was sich in den metakognitiven Wissensstrukturen widerspiegelt. Dieser Teilaspekt ist für die Religionspädagogik von besonderem Wert und muss als Ergänzung zu den oben beschriebenen Kategoriensystemen für ein gutes Lehrmittel explizit auch ergänzt werden. Die elementaren Wahrheiten als theologisch-existenzieller Kern des Unterrichtsstoffes nehmen die theologische Sachebene sowie die kindliche und die personale Anschauungsebene in den Fokus. In der Konstruktion der Lernaufgabe nimmt dieser Aspekt der Elementarisierung auch einen weiteren expliziten Bezug zu den Kompetenzen des Lehrplans. Mit den elementaren Lernwegen sind die Methoden und Mittel für den Aufbau von Inhalten, Fertigkeiten und Haltungen geplant und die Weiterentwicklung des prozeduralen Wissens ist angestrebt.

1.4 Einsatz eines Lehrmittels?

Ob ein Lehrmittel mit den entsprechenden Lernaufgaben tatsächlich Wirkung zeigt, hängt nicht nur von den oben erwähnten Anforderungen ab. Es sind letztlich die Lehrpersonen, die darüber entscheiden, ob und wie ein Lehrmittel mit der entsprechenden Aufgabenkultur eingesetzt wird. Dabei orientieren sich die Lehrpersonen zwar an den Kommentaren und Planungshinweisen, aber entscheiden letztlich aufgrund eigener Erfahrungen und Einschätzungen, und deshalb setzen keine zwei Lehrpersonen ein Lehrmittel gleich ein. Für Lehrpersonen sind es die klare Struktur eines Lehrmittels, motivierende Anregungen, didaktische Prinzipien wie das aktivierend-entdeckende Lernen oder der vielfältige Einsatz des Lehrmittels selbst, die dessen Verwendung prägen (Adamina 2017).

Für den Religionsunterricht und insbesondere auch für die pfarreiliche Katechese werden Lehrmittel, so die Vermutung, im Sinne eines Angebots für die Planung und Umsetzung des eigenen Unterrichts verwendet, wobei Religionslehrpersonen die Auswahl ebenfalls weniger von den didaktischen Leitideen und Prinzipien als vielmehr von den verschiedenen Umsetzungsvorschlägen her treffen. Es kann vermutet werden, dass ähnlich wie bei Volksschullehrpersonen auch die Religionslehrpersonen sich für den Einsatz von Lehrmaterialien entscheiden, wenn diese weitgehend mit den wahrgenommenen didaktischen Prinzipien und dem eigenen Lehr- und Lernverständnis übereinstimmen.

1.5 Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien

Aus den oben beschriebenen Zusammenhängen ergeben sich für die Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien nun wichtige Folgerungen. Beispielsweise muss geklärt werden, welches Lehrplanwissen in Zusammenhang mit der Kompetenzorientierung bearbeitet werden soll oder welche didaktischen und methodischen Konzepte bewusst umgesetzt werden respektive auf welche verzichtet wird. Und es steht der Anspruch der Anwendbarkeit in der Praxis im Raum, welcher den Erfolg eines Lehrmittels ausmacht. Last but not least sind es nicht selten auch die marktorientierten Vorgaben der Verlage oder der Auftraggeber, welche die Lehrmittelarbeit stark beeinflussen. Diese Theorie-Praxis-Tauglichkeit fordert die Lehrmittelautorinnen und -autoren heraus.

Ein Lehrmittel sollte im System Unterricht mit dessen Lern- und Lehrprozessen entwickelt werden und nicht im System Lehrmittel, in dem die innere Lehrmittellogik für die Entwicklung leitend ist. Lehrmittel sollten über sich hinausführen und letztlich sollten sich Lehrmittel überflüssig machen, weil die Konstruktion von Unterricht von den Lehrpersonen selbst gestaltet werden kann.

Das Lehrmittel kann als Element im Prozess der vierfachen Transformation und Adaption von Fachgrundlagen und Lehrplan bis hin zum Lernen von Schülerinnen und Schülern gesehen werden, wobei die fachlichen und fachdidaktischen Verständnishorizonte und Überzeugungen der jeweiligen Autorinnen und Autoren respektive der Lehrpersonen von entscheidender Bedeutung sind. Innerhalb der ersten Transformation respektive Adaptionsphase werden fachwissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen in Lehrplänen durch das Verständnis und die Überzeugungen der Autorinnen und Autoren in Grundkompetenzen und Curriculumsentwicklung beschrieben. In der zweiten Transformation und Adaption prägt das fachwissenschaftliche und fachdidaktische Verständnis der Autorinnen und Autoren die Entwicklung und Ausarbeitung der Lehrmittel. Entscheidend für den Einsatz von Lehrmitteln wird die dritte Transformation, in der die fachlichen und fachdidaktischen Konzepte der Lehrpersonen sowie das eigene Lehr- und Lernverständnis zur Auswahl von Lehrmitteln eine entscheidende Funktion übernehmen. Und letztlich ist es das Vorverständnis der Schülerinnen und Schüler und deren Motivation, Interesse und Einstellungen zum Fach wie auch das Verständnis der Aufgaben und Informationen in den Lernmaterialien, welche als vierte Transformation anzusehen sind (Adamina 2017).

2. Blick auf LeRUKa, Planungshilfen und Aufgabensets auf reli.ch

2.1 Lehrplan LeRUKa

Mit dem neuen Lehrplan für Religionsunterricht und Katechese LeRUKa hat das Netzwerk Katechese ein Planungsinstrument für die konkrete Praxis vor Ort geschaffen, der damit im Kontext der Umsetzung des Leitbildes Katechese im Kulturwandel steht (LeRUKa 2017, 2). Der kompetenzorientierte Lehrplan erfüllt dabei verschiedene Ansprüche. Wie auch der Lehrplan 21 im schulischen Kontext ist der LeRUKa ein politisches Instrument, will heissen, dass durch einen gemeinsamen Deutschschweizer Lehrplan eine grundsätzliche Steuerung durch die kirchlichen Entscheidungsträger der fünf Bistümer intendiert ist. Die Kompetenzorientierung hilft, ein gemeinsames Fundament zu formulieren und damit die unterschiedlichen kontextuellen Voraussetzungen des Religionsunterrichts und der Katechese in breitester Form zu fassen sowie eine gemeinsame Ausrichtung trotz Vielfalt zu ermöglichen. Dabei ist jedoch zu sehen, dass der katholische Lehrplan zwar eine ökumenische Offenheit enthält, jedoch aufgrund der bereits bestehenden ökumenischen Zusammenarbeit vor Ort dann doch eigene entsprechende Lehrpläne der beiden Konfessionen entstehen (beispielsweise Lehrplan beider Basel und Solothurn 2019) oder auch, dass die Zusammenarbeit von Schule und Kirche bezüglich des Religionsunterrichts politisch und in der Konkretion so verbunden ist, dass ein eigener Lehrplan nötig wird (Bistum St. Gallen).

Mit den beschriebenen Kompetenzbereichen werden die beiden Lernorte «Schule» und «Pfarrei» klar ersichtlich, wobei die Kompetenzen für den kirchlichen Religionsunterricht in ihrer Grundausrichtung stark den Anspruch der Bearbeitung eines gesamtheitlichen Glaubenswissens und für die Katechese jenen der kirchlichen Beheimatung einlösen. Diese zwar grobe und vereinfachte Unterscheidung soll dazu führen, sowohl den Religionsunterricht wie auch die Katechese von ihrer Positionierung her zu klären und sie darin zu stärken (LeRUKA 2017, 9–14; Leitbild Katechese im Kulturwandel 2009).

Mit der Aufteilung auf vier Zyklen – wobei der Zyklus 0 das Vorschulalter und die Zyklen 1 bis 3 das Schulalter im Blick haben – wird die Systematik vom staatlichen Lehrplan 21 her kongruent behandelt sowie mit der Aufteilung in sechs Kompetenzbereiche in je drei für den Religionsunterricht und die Katechese deren Gleichwertigkeit intendiert (LeRUKa 2017, 16–20).

2.2 Planungshilfen

Für die konkrete Planung und Umsetzung von kirchlichem Religionsunterricht und Katechese stehen entsprechende Planungshilfen im Lehrplan zur Verfügung. In den konkreten Formulierungen wird die Inhalts- und Handlungsdimension der Kompetenzorientierung aufgenommen und gleichzeitig mit dem didaktischen Schwerpunkt der Niveaudifferenzierung verbunden. Zu den einzelnen Inhalts- und Handlungsaspekten werden Themen genannt und nebst der Formulierung des entsprechenden Lebensweltbezugs wird auch ein konkretes Umsetzungsbeispiel vorgeschlagen. Die Planungshilfen gelten im Gegensatz zu den Kompetenzen nicht als verbindlich, sondern dienen zur Bearbeitung und Erreichung der Kompetenzen. Sie können so je nach Kontext situativ für die Planung verwendet werden (LeRUKa 2017, 27–50). Mit dieser Beschreibung der den Kompetenzen zugeordneten Inhalts- und Handlungsaspekte wird im Lehrplan geklärt, wie an den einzelnen Kompetenzen gearbeitet werden kann.

Im Vergleich mit dem Lehrplan 21 wird ersichtlich, dass in diesem in den Beschreibungen von Kompetenzstufen mit entsprechend zugeordneten Themen die Ebene der Inhalts- und Handlungsaspekte zur Erreichung der Kompetenz angelegt ist.

Durch die gewählte Form der Beschreibung der Kompetenz mit den dazugehörenden Inhalts- und Handlungsaspekten im LeRUKa besteht eine Planungssicherheit. Die Kompetenz kann mit den vorgegebenen Aspekten und den dazugehörenden Themenvorschlägen bearbeitet werden. Die einzelnen Kompetenzen im LeRUKa sind kumulativ aufgebaut, die jeweiligen Inhalts- und Handlungsaspekte sind jedoch eher im Sinne von voneinander unabhängigen Zugängen zur Erreichung der Kompetenz formuliert. Die Inhalts- und Handlungsaspekte folgen dabei nicht einer kriterienorientiert beschriebenen fachwissenschaftlichen Logik, sondern nehmen ausgewählte, vielleicht auch durch die früheren Curricula geprägte Aspekte auf. Die vorgegebenen Inhalts- und Handlungsaspekte sind nicht im Modus einer Vollständigkeit zu verstehen. Damit eröffnet sich der Raum für weitere Inhalts- und Handlungsaspekte für die Bearbeitung der Kompetenzen. Damit kann auch der Anspruch eingelöst werden, die vorfindbare Heterogenität der einzelnen Kontexte mit dem Anspruch eines kompetenzorientierten Unterrichts zu verbinden. Will die Wirksamkeit der Kompetenzorientierung in der Praxis gelingen, mag dieser Ansatz wohl sinnvoll sein.

2.3 Aufgabensets und Qualitätsansprüche

Die geforderte Kompetenzorientierung kann durchaus von verschiedenen Ausgangspunkten her eingelöst werden (Schwarzkopf 2016, 47–55). Legt man den Schwerpunkt auf die innere Differenzierung, wird man die Umsetzung durch niveaudifferenzierte Aufgabenstellung auf der Grundlage der Bloom’schen Taxonomie (Bloom 1973) in ihrer Ausgestaltung auf drei Niveaus (Reproduktion–Rekonstruktion–Konstruktion) machen. Legt man den Schwerpunkt hingegen eher auf den gesamten Unterrichtsprozess, wird man mit entsprechenden Kompetenzmodellen und den dazugehörenden Aufgabentypen eine Umsetzung machen (Wilhelm et al. 2014).

In den Aufgabensets zum Lehrplan LeRUKa wird angestrebt, beide Ausgangspunkte zu verbinden. Entwickelt wurde das erweiterte niveaudifferenzierte Kompetenzmodell «Begegnen» – «Intensivieren» – «Erfahren» – «Zeigen», abgekürzt BEIZ, das sich an das LUKAS-Modell mit den entsprechenden Aufgabentypen Konfrontationsaufgabe (entspricht «Begegnen»), Erarbeitungsaufgabe (entspricht «Erfahren»), Übungs- und Vertiefungsaufgaben (entspricht «Intensivieren») und Synthese- und Transferaufgaben (entspricht «Zeigen») anlehnt.

Die Rückbindung der methodischen Vielfalt und damit auch der Einsatz neuer Medien an die Niveaudifferenzierungen ist ebenso zu beachten wie der für die Religionspädagogik zentrale Kontextbezug zu den Lernenden. Grundlegend ist die konkret konstruierte Lernaufgabe im Kontext der Elementarisierung (Nipkow 1986; Schweizer 2018) zu sehen; sie setzt die didaktische Elementarisierung konkret um. Oder anders formuliert: In der Lernaufgabe mit dem entsprechenden Material zeigt sich die Konkretion der didaktischen Elementarisierung und die Umsetzung vieler und relevanter Kriterien für ein gutes Lehrmittel respektive für gute Lernaufgaben.

3. Fazit und Perspektiven

Auf der Homepage reli.ch des Netzwerks Katechese sind die Lehr- und Lernmaterialien in Form der Aufgabensets für Religionslehrpersonen und katechetisch Tätige kostenlos zugänglich. Dies neben den Hinweisen zu bereits bestehenden Unterrichtsmaterialien. Die einzelnen Aufgabensets sollen die didaktische Entwicklung der Kompetenzorientierung bei den einzelnen Lehrpersonen fördern und unterstützen. Inwieweit dies tatsächlich gelingt, ist im Moment noch eine offene Frage vor dem oben beschriebenen vermuteten Zusammenhang, dass Lehrpersonen jene Unterrichtsmaterialien verwenden, welche das eigene Lehr- und Lernverständnis abbilden. Es besteht die Herausforderung, ob (und wenn ja, wie) das in den Lehrmaterialien aufgearbeitete kompetenzorientierte Lehr- und Lernverständnis tatsächlich eine Wirkung zeigt oder ob nicht die Gefahr besteht, dass das eigene bisherige Verständnis bei Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen gefördert wird, indem sie in eklektischer Art übernehmen, was ihnen entspricht und für sie von Bedeutung ist.

Das Ziel ist, die kompetenzorientierten Aufgabensets nach dem vorgegebenen Artikulationsschema BEIZ auch im katechetischen Umfeld umzusetzen. Dabei ist anzunehmen, dass sich die entsprechenden katechetischen Kontexte, in denen die Kompetenzorientierung umgesetzt werden sollen, als recht unterschiedlich erweisen und auch unterschiedliche didaktische sowie für die Katechese doch wichtige ekklesiologische Modelle zeigen. Zu beachten ist bei der Umsetzung, dass für die katechetische Arbeit ausserhalb des schulischen Kontexts keine ungewollte «Verdidaktisierung» durch das vorgelegte Kompetenzmodell erzeugt wird. Die Aufgabensets können als Lehr- und Lernmaterialien verstanden werden, wobei der Fokus gewollt auf die kompetenzorientierte niveaudifferenzierte Aufgabenstellung durch verschiedene Aufgabentypen durch ein Prozessmodell (BEIZ) gelegt ist.

Analysiert man die einzelnen Aufgabensets bezüglich des zeitlichen Ablaufs, sind diese entweder in einem engeren Sinn als eigentliche Sequenz von zwei bis vier Lektionen aufgebaut oder aber – in einem weiteren Sinn – als über eine längere Zeitdauer hinweg konzipierte Lerneinheit. Diese bewusst in Kauf genommene doppelte Möglichkeit führt zu zwei Problemfeldern. Werden die Aufgabensets in einem engeren Sinn konzipiert, besteht die Gefahr eines eher statischen Unterrichtsablaufs, der sehr stark nur über Arbeitsaufträge gesteuert ist. Bei den Aufgabensets im weiteren Sinn stellt sich umgekehrt die Frage, wie die einzelnen Lerneinheiten geplant sind, die es für die Durcharbeitung der einzelnen Aufgabensets braucht. Für die didaktische Rückbindung der einzelnen Aufgabensets ist es wertvoll, die religionspädagogische Elementarisierung konkret transparent zu machen und in den jeweiligen Sets zu beschreiben.

Dabei steht die Entwicklung der Lehr- und Lernmaterialien im Rahmen der Aufgabensets immer in einer dreifachen Perspektive. Lehr- und Lernmaterialien stehen in einem Verhältnis zwischen a) dem Lehrplanwissen und Kompetenzorientierung, b) den Kriterien für ein «gutes» Lehrmittel mit den entsprechenden didaktischen Implikationen und Methodenmöglichkeiten und c) der Praxistauglichkeit, wobei Religionslehrpersonen und katechetisch Tätige mit ihrem Lehr- und Lernverständnis, das System Schule oder Kirche und letztlich die Adressaten, also die Kinder und Jugendlichen, im Zentrum stehen. Diese Verhältnisbestimmung gilt es immer im Fokus zu behalten, die entsprechenden Reflexionen kriterienorientiert umzusetzen und sie im konkreten Lehr- und Lernmaterial einzuarbeiten.