Schon kleine Kinder haben grosse Fragen: “Was hat Gott gemacht, bevor er die Welt erschaffen hat? Warum hat Gott die Menschen erschaffen, obwohl er wusste, dass sie Böses tun werden? Wie ging Jesus über’s Wasser? Wie kann Gott uns hören?” Was der Papst höchstpersönlich auf solche und weitere Fragen antwortet, lässt sich nachlesen im neuen Büchlein „Dear Pope Francis“. Franziskus‘ Antworten sind interessant, klug und rühren nicht nur kleine Menschen an.

Was für den Papst „tough questions“ sind, wie er sagt, gehört für Religionslehrpersonen zum Alltag: Fragen werden gestellt, die nicht immer einfach zu beantworten sind, und oft nicht ins Konzept der Unterrichtsvorbereitung passen. Mit zunehmendem Alter werden die Fragen nach Gott und der Welt komplexer. Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene stehen Religion und Glaubensüberzeugungen oft kritisch gegenüber oder mischen religiöse und weltanschauliche Vorstellungen so, wie es ihren Bedürfnissen entgegenkommt, wie es für sie „stimmt“. Religiöse Wahrheitsansprüche werden aus verschiedenen Gründen abgelehnt.

Es ist nicht einfach, heute den christlichen Glauben zu vermitteln. Fragen nach zielführenden Ansätzen religiöser Bildung und Begleitung, nach den Aufgaben und der Didaktik des Religionsunterrichts, nach Inhalten und Methoden beschäftigen die Religionspädagogik stark.

„Keine Angst vor Inhalten!“

Als Dogmatikerin, die für die Aus- und Weiterbildung von angehenden Religionspädagoginnen und Religionspädagogen mitverantwortlich ist, interessiert mich u. a. der Umgang mit zentralen Inhalten des christlichen Glaubens. Wie kann es gelingen, diese heute zu vermitteln bzw. als Denkangebote des Glaubens nahe zu bringen?

„Keine Angst vor Inhalten“ lautet ein neuer religionspädagogischer Sammelband, der von diesen Fragen handelt. Die Grundthese des Buches ist, dass religiöses Lernen auch die denkerische Auseinandersetzung mit Inhalten erfordert. Theologische Themen kommen in der religiösen Bildung oft zu kurz. Werden sie aufgegriffen, bleiben sie assoziativ, ohne vertiefte reflexive Durchdringung (Schambeck/Pemsel-Maier, 379–382). Als besonders „schwierig“ werden Themen empfunden und daher gerne gemieden, die zum Kernbestand christlicher Dogmatik gehören. Dazu gehören allen voran christologische und trinitätstheologische Fragestellungen. So wird beispielsweise im Unterricht oft gut besprochen, wer Jesus als Mensch war, wie er gelebt und gehandelt hat etc. Die Frage nach der Bedeutung der christlichen Aussage, Jesus Christus sei „wahrer Gott und wahrer Mensch“, kommt kaum in den Blick. Auch die Dreieinigkeit Gottes wird häufig nicht oder nicht eigenständig thematisiert. Für diese „Verlegenheiten“ von Lehrpersonen mag es verschiedene Gründe geben; interessanterweise stehen sie im Widerspruch dazu, dass Kinder und Jugendliche durchaus interessiert sind an theologischen Themen und Fragen (ebd. 381).

Sind sie zu stark – sind wir zu schwach?

Oft genug werden Lehrpersonen mit ganz grundsätzlichen (In-)Fragestellungen des Glaubens konfrontiert: Gibt es überhaupt einen Gott? Warum sollte ich das glauben? Die Bibel ist veraltet! Vor allem die – vermeintliche – Unvereinbarkeit des Glaubens mit der naturwissenschaftlichen Weltsicht scheint heute für viele Kinder und Jugendliche das zentrale Gegenargument gegen den Glauben zu sein. Trifft diese Einschätzung zu, so Ulrich Kropač, „dann ist die Religionspädagogik hierauf nicht ausreichend vorbereitet.“ (Kropač, 158)

Kritische Fragen müssen im Religionsunterricht und in der Katechese ihren Platz finden, so viel ist klar. Werden sie nicht auf- oder nicht genügend ernst genommen, wird Glaubwürdigkeit verspielt. Aber sie fordern heraus! So könnte der berühmte Werbeslogan für Hustenpastillen religionspädagogisch gewendet werden: Sind sie – die Fragen– zu stark, sind wir zu schwach!? Echte, und das sind mitunter eben kritische Fragen, sind ein unschätzbarer Gewinn für religiöses Lernen. Unsere Antworten müssen nicht geschliffen daher kommen. Die vielfältigen Glaubenszeugnisse aus Bibel und Tradition zeigen, dass damit schon andere gerungen haben. Wichtig ist die Bereitschaft der Lehrpersonen, die Fragen nicht zu scheuen, und Antworten und Denkmodelle des christlichen Glaubens den Lernenden zur persönlichen Auseinandersetzung und Erprobung anzubieten. Daran lässt sich lernen und Orientierung finden – selbstverständlich nicht gegen oder ohne den lebensweltlichen Bezug, der als Errungenschaft der sog. anthropologischen Wende in der Theologie unaufgebbar ist.

Wie sieht es bei uns aus?

Der religionspädagogische Sammelband „Keine Angst vor Inhalten“ wirbt dafür, Voraussetzungen zu schaffen, um mit theologischen Inhalten produktiv umgehen zu können; u. a. Korrelation neu zu denken bzw. neu zu formatieren (Schambeck/Pemsel-Maier, 382–389). Das Buch bietet anregende Vorschläge, die zum Ausprobieren anregen. Es stützt sich auf Fallbeispiele und Analysen vornehmlich aus Deutschland. Wie sieht es bei uns in der Schweiz aus: Welchen Stellenwert bekommen theologische Inhalte bei uns in Religionsunterricht und Katechese? Was gelingt, und wo braucht es noch mehr Hilfestellungen oder Ermutigungen? Sie sind herzlich eingeladen an dieser Debatte (auch durch die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag) mitzuwirken!