Ursprünglich kommen die Kraftlieder (meist als Circle-Lieder) aus verschiedenen alten Kulturen. Dazu gehören zum Beispiel Mantras aus Indien, Lieder aus Afrika und Hawaii oder Indianerlieder.

In der christlichen Tradition kennen wir die Taize-Lieder, welche schon länger in Gottesdiensten oder im Unterricht eingesetzt werden und von denen es einige sogar ins KGB geschafft haben (Halleluja, Ubi caritas und Laudate omnes gentes). Auch einige jüdische Lieder (Schalom chaverim, Hine matov…) sind uns gut bekannt.

In den letzten Jahren sind auch immer mehr neue Gesänge in deutscher oder englischer Sprache entstanden. Für den Einsatz in Religionsklassen oder in Gottesdiensten eignen sich viele davon sehr gut. Aber auch bei alten Liedern aus anderen Kulturen finden wir für unsere Bedürfnisse und zum christlichen Gedankengut Passendes.

Kraftlieder singen ist eine Form der Achtsamkeitsschulung

In unserer leistungsorientierten Gesellschaft bietet das Singen von Kraftliedern einen wohltuenden Gegenpol. Nicht die perfekte (Gesangs)Leistung steht hier im Vordergrund, sondern das Erleben, in sich hinein spüren und auftanken in der Singgemeinschaft.

Erreicht wird dies durch einfache Melodien und Texte, die über 10 Minuten oder länger wiederholt werden. So verinnerlichen wir die Worte, kommen weg vom Denken und immer mehr ins Fühlen. Damit auch fremdsprachige Lieder ihre ganze Kraft entfalten können, sollte die Bedeutung des Textes bekannt sein.

Am Schluss gebe ich immer Zeit, das Lied nachklingen zu lassen. In dieser Stille wird die Kraft des Liedes nochmals innerlich vertieft wahrgenommen.

Wenn eine Gruppe voll in ein Kraftlied eintaucht, kann es vorkommen, dass das Zeitgefühl verloren geht und plötzlich eine halbe Stunde vergangen ist, in der „nur“ ein Lied gesungen wurde.

Die Botschaft des Liedes wird beim Singen emotional spürbar.

Singe ich Haida, dann sprudle ich vor Freude fast über. Da ist so viel Segen weckt in mir Vertrauen und Dankbarkeit. Das E malama aus Hawaii lässt mich dankbar auf die ganze Schöpfung schauen. Das indianische Kuate führt mich zu einer inneren Ruhe.

Kraftlieder singen fördert Sozialkompetenzen

Beim Singen in der Gruppe lassen wir uns gemeinsam auf die emotionale Qualität eines Liedes ein.

Der Atem gleicht sich an und wie wissenschaftliche Studien belegen, beginnen auch unsere Herzen im Gleichtakt zu schlagen. Die Gruppe erschafft so ein gemeinsames Resonanzfeld, in dem Herzen sich füreinander öffnen können.

Wenn beim Singen Kontakt über Blicke oder Gesten zu Mitsingenden aufgenommen wird, entsteht eine besondere Verbundenheit. Singe ich dann in einer Gruppe von Menschen „Ich bin willkommen, du bist willkommen“, dann fühle ich mich von der Singgemeinschaft getragen und akzeptiert. Ich bin gut so, wie ich bin! Wer es wagt, kann dann auch singen „Ich bin vollkommen, du bist vollkommen“ (Monika Maria Wunram).

Beim Singen von Kraftliedern können Herzen sich öffnen

Im indischen Mantra „Namaste“, welches von verschiedenen Liedermachern unterschiedlich interpretiert wird, kommt zum Ausdruck, dass das göttliche Licht in jedem Menschen Zuhause ist. Sinngemäss übersetzt bedeutet Namaste: Das göttliche Licht in mir grüsst das göttliche Licht in dir.

Monika Maria Wunram hat mit Lichtkind ein modernes Pendant zu „Namaste“ und einen richtigen Ohrwurm erschaffen. Es gehört zu meinen Lieblingsliedern:

„Gottes Liebe ist immer in mir,

durch mein Herz fliesst sie hin zu dir.

Gottes Liebe ist immer in dir,

durch dein Herz fliesst sie hin zu mir.

Du bist ein Lichtkind für diese Welt.

Du bist ein Lichtkind, ein grosses Geschenk.“

Kraftlieder singen – das ist wahrer Gottesdienst

Von mir selber sage ich schon lange, wenn ich singe, dann bete ich. Beim Singen von Kraftliedern fühle ich mich mit der göttlichen Quelle besonders stark verbunden.

Und so ist es wohl kein Zufall, dass ich in grösseren Singkreisen öfters auch auf Bekannte treffe, die für die Kirche tätig sind. Ich werde nie diesen Satz eines Kollegen vergessen, der zu mir sagte: „Das hier ist wahrer Gottesdienst.“

Worauf muss ich beim Einsatz von Kraftliedern im RU achten?

Wer in einem bestehenden Singkreis eigene Erfahrungen machen kann, sollte dies nutzen. Durch mein eigenes Mitsingen in verschiedenen Singkreisen durfte ich viel mitnehmen, was gut einsetzbar ist.

Folgende Punkte sollten beim eigenen Einsatz unbedingt beachtet werden:

  • Ich muss mich mit einem Lied wohlfühlen (hinter der Aussage stehen können und in der Interpretation selber sicher sein). Die eigene Begeisterung für ein Lied ist die beste Voraussetzung, dass der Funke auch auf die Gruppe überspringt.
  • Beim gemeinsamen Singen von Kraftliedern stehen die Erfahrung von Gemeinschaft und die Freude am Singen, ganz ohne Leistungsdruck im Vordergrund.
  • Zwischendurch zuhören sollte erlaubt sein, solange man achtsam dabei bleibt. Diese Erfahrung kann auch ganz schön und wichtig sein.
  • Für die Singenden sollte der Inhalt des Liedes bekannt sein.
  • Damit ein Lied wirklich zum Kraftlied werden kann, sollten wir es über mehrere Minuten singen. Ich empfehle mindestens 10 Minuten.
  • Am Schluss sollte man sich bei Kraftliedern immer die Ruhe und das Hineinspüren in sich selbst geben!
  • Eine Begleitung ist schön, aber nicht zwingend. Als einfache Begleitmöglichkeit bieten sich Trommeln und Rasseln an.

Einfach beginnen

Für eine erste Erfahrung kann auch ein schon bekanntes Lied gewählt werden.

Wohl alle kennen „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Macht den Versuch, singt es während mindestens zehn Minuten, haltet euch dabei an den Händen und spürt nach dem Singen nach, wie ihr euch fühlt. Es wird interessant sein, welche Rückmeldungen da von Kindern und Jugendlichen kommen.