Was heute Autos, Parfums, Versicherungen, Banken und Baumärkte versprechen, gehört in der christlichen Tradition zum «Aufgabengebiet» des Heiligen Geistes. Werbung ist voll von Verheissungen, die sie nicht einlösen kann – und auch nicht will. Aber der Heilige Geist, der will und kann! In der berühmten Pfingstsequenz aus dem 13. Jh. tönt das etwa so:

Komm herab, o Heilger Geist, | der die finstre Nacht zerreisst, | strahle Licht in diese Welt.

Komm, der alle Armen liebt, | komm, der gute Gaben gibt, | komm, der jedes Herz erhellt.

Höchster Tröster in der Zeit, | Gast, der Herz und Sinn erfreut, | köstlich Labsal in der Not.

In der Unrast schenkst du Ruh, | hauchst in Hitze Kühlung zu, | spendest Trost in Leid und Not.

Komm, o du glückselig Licht, | fülle Herz und Angesicht, | dring bis auf der Seele Grund.

Ohne dein lebendig Wehn | kann im Menschen nichts bestehn, | kann nichts heil sein noch gesund.

Was befleckt ist, wasche rein, | Dürrem giesse Leben ein, | heile du, wo Krankheit quält.

Wärme du, was kalt und hart, | löse, was in sich erstarrt, | lenke, was den Weg verfehlt.

Gib dem Volk, das dir vertraut, | das auf deine Hilfe baut, | deine Gaben zum Geleit.

Lass es in der Zeit bestehn, | deines Heils Vollendung sehn | und der Freuden Ewigkeit.

«Veni Sancte Spiritus» (Stephan Langton um 1200, Übertragung von Thurmair/Jenny; Kath. Kirchengesangbuch Nr. 493)

 

Starke Bilder machen menschliches Sehnen deutlich: Was am Leben hindert, was erstarrt oder unfrei ist, kann belebt und erneuert werden durch Gottes Geist. Die Pfingstsequenz ist Grundlage von vielen Geist-Liedern. Hier ein modernes Beispiel:

Gott, du bist die Hoffnung, wo Leben verdorrt, auf steinigem Grund wachse in mir,

sei keimender Same, sei sicherer Ort, treib Knospen und blühe in mir.

Gott, du bist die Güte, wo Liebe zerbricht, in kalter Zeit, atme in mir,

sei zündender Funke, sei wärmendes Licht, sei Flamme und brenne in mir. […]

Und ein neuer Morgen (Gregor Linssen 1991; rise up Nr. 238; rise up plus Nr. 179)

 

Anstelle von metaphorischen Bildern wählt der Theologe Karl Rahner Erfahrungen, um das Wirken des Geistes zu beschreiben:

  • Wo die eine und ganze Hoffnung über alle Einzelhoffnungen hinaus gegeben ist, die alle Aufschwünge, aber auch alle Abstürze noch einmal sanft in schweigender Verheis­sung umfängt,
  • wo eine Verantwortung in Freiheit auch dort noch angenommen und durchgetragen wird, wo sie keinen angebbaren Ausweis an Erfolg und Nutzen mehr hat,
  • wo ein Mensch seine letzte Freiheit erfährt und annimmt, die ihm keine irdischen Zwänge nehmen können, […]
  • wo die Summe aller Lebensrechnungen, die man nicht selber noch einmal berechnen kann, von einem unbegreiflichen anderen her als gut verstanden wird, obwohl man es nicht nochmals ‚beweisen’ kann,
  • wo die bruchstückhafte Erfahrung von Liebe, Schönheit, Freude als Verheissung von Liebe, Schönheit, Freude schlechthin erlebt und angenommen wird, ohne in einem letz­ten zynischen Skeptizismus als billiger Trost vor der letzten Trostlosigkeit verstanden zu werden, […]
  • da ist Gott und seine befreiende Gnade. Da erfahren wir, was wir Christen den Heiligen Geist Gottes nennen; da ist eine Erfahrung gemacht, die im Leben – auch wenn sie ver­drängt wird – unausweichlich ist …».

Rahner zählt existenzielle Erfahrungen auf, lädt aber vor allem dazu ein, nach eigenen zu suchen: Erfahrungen, welche das alltägliche und vordergründige, manchmal gar als banal empfundene Leben übersteigen. Sie scheinen an Ewiges zu rühren. Nach Rahner sind es Erfahrungen des Geistes (Rahner, Erfahrung, 241–243).

Heiliger Geist: Gott in mir

Warum spricht der christliche Glaube vom Heiligen Geist, wenn es um diese Art Erfahrungen geht? Weil Menschen Wesentliches in ihrem Leben nicht «machen» können. Religionen benennen es als Gehalten- und Angerührt-werden von einer absoluten Wirklichkeit. Für Christen ist dies Gott, und zwar im Sinne eines differenzierten Monotheismus. Gott ist der Ursprung von allem, er ist transzendente Wirklichkeit: «Gott über mir» («Vater»). Aus Liebe ist Gott in Christus Mensch geworden, den Menschen ein Gegenüber, Bruder und Freund: «Gott mit mir» («Sohn»). Und Gott wirkt in der Welt und in den Menschen: «Gott in mir» («Heiliger Geist»). Die christliche Trinitätslehre versucht zu fassen, was menschliche Erfahrung bezeugt: dass Gott «im Himmel» ist, aber gleichzeitig in der Welt erfahren werden kann, im Gegenüber wie auch in einem selbst.

Der Heilige Geist, «Gott in mir», entwickelt mit dem Menschen zusammen eine ziemliche Dynamik. «Wachse in mir», «atme in mir», so heisst es im Lied von Linssen. Göttliches Wirken und menschliches Handeln gehen zusammen (oder auch nicht …). So gelten beispielsweise Glaube, Hoffnung und Liebe (vgl. 1Kor 13,13) als die wichtigsten Geistesgaben. Sie sind dem Menschen als vernünftiges und freiheitliches Wesen geschenkt, um in seinem Leben wirksam werden zu können.

Nicht nur an Pfingsten und zur Firmung

In der Theologie gibt es den Begriff der «Geistvergessenheit», um zu beschreiben, dass die Kirche im westlichen Abendland Jesus Christus stets die grössere Aufmerksamkeit hat zukommen lassen, als dem Heiligen Geist. Seit dem 20. Jh. wird in Theologie und Kirche versucht, dies zu korrigieren. Aber ein Blick in das kirchliche Leben zeigt wohl an vielen Orten, dass ausser an Pfingsten und im Kontext der Firmung nicht oft vom Heiligen Geist gesprochen wird. Die Chance dieser Feiern ist, den Glauben an Gott, der in der Welt wirkt, zu vertiefen. Wenn wir es mit dem Heiligen Geist – und uns selbst – aber wirklich ernst meinen, dürfte dies in der Liturgie überhaupt und auch in der Katechese noch viel stärker zum Tragen kommen.

 

Literatur

Mit dem Heiligen Geist in biblischer, theologiegeschichtlicher wie liturgischer Perspektive beschäftigen sich viele lesenswerte Beiträge im neuen Grundlagenwerk zur Firmung:

  • Ottiger, Nicola/Jakobs, Monika/Arnold, Markus (Hrsg.): Firmung. Theorie und Praxis eines eigenwilligen Sakraments (Kontext Katechese, Bd. 2), Luzern 2019.

 

Weitere

  • Nitsche, Bernhard (Hrsg.): Atem des sprechenden Gottes. Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist, Regensburg 2003.
  • Rahner, Karl: Erfahrung des Geistes, in: Schriften zur Theologie, Bd. XIII: Gott und Offenbarung, Zürich/Einsiedeln/Köln 1978, 207–304.