Am Beginn dieses Beitrags stehen drei Quizfragen. Die Antworten finden sich am Ende dieses Beitrags.

  1. Warum eilten die Hirten in die Herberge? Um das Kind anzubeten? Nein.
  2. Von wieviel Königen ist in den biblischen Weihnachtsgeschichten die Rede? Von dreien? Nein.
  3. Wie geht der folgende Satz weiter? «Euch ist heute der … geboren, welcher ist …»

Der Dezember ist im Religionsunterricht der Sekundarstufe oft davon geprägt, andere Unterrichtsreihen zu vollenden und um Noten zu machen. Weihnachten findet vielleicht einen Platz am letzten Schultag vor den Ferien. Das ist schade, denn im Lernfeld Weihnachten gäbe es einiges zu lernen, auch in der Sekundarstufe. Dieser Beitrag nennt zwei Basics, zwei Impulse, zwei Fallen und verlinkt am Ende ein wenig Material.

Weihnachten ist ein Christusfest und zugleich ein Ausdruck für die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Zwei weihnachtliche Basics

Kein Mensch würde sich für die Geburt in der Herberge interessieren, wenn das neugeborene Kind nicht als Erwachsener am Kreuz gestorben und wenn auf den Karfreitag nicht der Ostertag gefolgt wäre. Krippe und Kreuz gehören zusammen. Im Mittelpunkt des Festes steht deshalb weder ein Stall noch die Engel, noch ein Stern, noch die Weihnachtsgeschenke, sondern der Mensch Jesus. Der Name Jesu bedeutet – in die deutsche Sprache übersetzt – «Gott rettet». Die beiden biblischen Weihnachtsgeschichten, so unterschiedlich sie auch erzählen, haben also eine gemeinsame Botschaft: Der neugeborene Jesus ist der Christus für die Welt und wird das nicht erst am Kreuz. Wir werden sehen, was das bedeutet. Schon sein Leben als Mensch, seine Worte und Taten sind also eine Botschaft von Gott für die Menschen. Das Weihnachtsfest hat sich von diesem christologischen Ursprung weit entfernt, bezieht seine Kraft aber noch immer aus jenen theologischen Wurzeln. Zwei deutsche Diktaturen versuchten vergeblich, das Weihnachtsfest von seinem religiösen Ursprung abzuspalten und aus dem Christfest eine «deutsche Weihnacht» oder eine «Jahresendfeier» zu machen. Das misslang. Auch die Säkularisierung und die Kommerzialisierung der Gegenwart hat die Sehnsucht nach einer Unterbrechung der übermächtigen Trends unserer Zeit nicht zum Schweigen gebracht. Wenn Menschen einander «besinnliche Weihnachten» wünschen, dann bringen sie damit zum Ausdruck, dass die eilige, laute und weitgehend religionslose Realität auch für säkulare Menschen Leerstellen enthält. Das Weihnachtsfest ist – auch wenn es mit immer weniger mit ritueller Feierlichkeit begangen wird – Ausdruck eines Unbehagens: Stille, Harmonie und Spiritualität kommen während des ganzen Jahres zu kurz. Wenn Menschen nur einmal im Jahr in den Gottesdienst gehen, dann wählen sie dafür den Heiligen Abend. Frieden, Familie und Freiräume zum Nachdenken und Zeit für die Religion haben das gesamte Jahr über zu wenig Raum. An Weihnachten sind sie willkommen. Dass diese Gegenkultur mit aller Kraft in Kaufhäusern und auf Weihnachtsfeiern konterkariert wird, überrascht uns nicht. Aber die Klage, dass es Lebkuchen schon im Spätsommer im Supermarkt zu kaufen gibt, zeigt auch einen stillen Protest dagegen.

Ist nach dem Ende der Grundschule zu Weihnachten alles gesagt? Ein Blick in den Religionsunterricht der Sekundarstufe

In der Grundschule ist Weihnachten praktisch in jedem Jahr Thema. Viele Kinder begegnen hier erstmalig den biblischen Weihnachtsgeschichten. Mit der Sekundarstufe scheint die Beschäftigung mit dem Christfest beendet zu sein, als sei bereits alles gesagt. Dass dem nicht so ist, soll dieser Beitrag zeigen. Was wir in der Zeit vor Weihnachten lernen können.

Die Weihnachtsgeschichten hören, deuten und weitererzählen. Matthäus und Lukas haben mit ihren Erzählungen von der Geburt Jesu Texte geschaffen, die zum literarischen Erbe der Menschheit zählen. Der Religionsunterricht ist aufgefordert, sich den Originalen zu nähern und möglichst nicht mit Verfremdungen zu arbeiten. Problematisch sind auch Dialektfassungen, weil sie in der Gefahr stehen, die Geschichten zu verkitschen oder zu «verunernsten». Ein synoptischer Vergleich der beiden Weihnachtsgeschichten macht vollends keinen Sinn.

Das erste Ziel: Die Weihnachtsgeschichten nacherzählen: Kinder tun das gerne. Vielleicht gelingt das auch älteren Schülerinnen und Schülern, ohne die Lukas- und Matthäusgeschichte miteinander zu vermengen. Einen Versuch ist es wert.

Das zweite Ziel: Ihre theologischen Aussagen deuten: Ist diese Basiskompetenz erreicht, gilt es ihre Schönheit und theologische Tiefe zu entdecken. Sie findet sich in den Worten der Engel an Maria («Dein Sohn wird ein König sein, dessen Königreich nie endet.» (Lk 1,33) und an die Hirten (siehe Rätsel Nr. 3, Lk 2,11), in den alttestamentlichen Zitaten (z. B. Mt 2,6) und den poetischen Abschnitten («Er stürzt die Mächtigen vom Thron», Lk 1,52, oder: «Er wird ein Licht für die Völker sein» Lk 2,32).

Zwei mögliche Impulse finden wir in der Geschichte selbst: Zu Beginn der Erzählung des Lukas fragt Maria den Engel: «Welch ein (seltsamer) Gruß ist das“ (Lk 1,29)?» Wir fragen: Die Geschichte birgt eine Menge Geheimnisvolles. Wir stellen das Mysteriöse zusammen: Mehrfach taucht ein Engel auf. Ein Kind bekommt königliche Namen. Magier sehen einen Stern und reisen zur Geburt eines Kindes an, dessen Namen sie nicht kennen. Und da ist auch noch eine geheimnisvolle Geburt ohne Vater. Doch zu Letzterer später. Ein zweiter Vorschlag: Wir knüpfen am Ende der lukanischen Erzählung an: «Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen» (Lk 2,29). Worüber dachte sie nach? Was war für sie das Wichtigste, was das Rätselhafteste? Schauen wir in der biblischen Geschichte nach!

Dem Weihnachtsfest einen eigenen Sinn abgewinnen. Zwei Zugänge

Wenn Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht nicht die biblischen Ursprungsgeschichten bedenken, werden sie Weihnachten so verstehen, wie es die Mehrheitsgesellschaft tut: Das Christfest wird zu einem Fest der Nächstenliebe und des Friedens. Dass es aus Anlass der Geburt Jesu gefeiert wird, stört nicht, ist aber ein Zufall der Geschichte. Die Aufgabe des Religionsunterrichts ist es, eine explizit christliche Deutung des Weihnachtsfestes zu erarbeiten und zu bedenken.

Zugang 1: Als deutsche und englische Soldaten am 24. Dezember des Jahres 1914 für einige Stunden die Waffen niederlegten und den Krieg unterbrachen, taten sie das aus einem bestimmten Grund am Heiligen Abend. Auf meinem Blog habe ich die Begebenheit nacherzählt. Dass dies nicht an einem beliebigen anderen Tag geschah, hat mit dem Chor der Engel zu tun: «Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden» (Lk 2,14). Weihnachten ist nun ein Fest des Friedens, das an einem Tag sogar zu einer symbolischen Unterbrechung des Krieges geführt hat. Vier Nachdenkimpulse für den Unterricht:

• Ist eine eintägige Unterbrechung des Krieges vor über 100 Jahren wert, noch heute bedacht zu werden?
• Der Frieden, von dem die Engel singen, ist kein Frieden durch Unterdrückung. Welches Bild von Frieden ist christlich?
• «Frieden auf Erden»: Wie wichtig ist das Weihnachtsfest, um die Sehnsucht nach Frieden am Leben zu erhalten?
• Ist es mit Jesus, ist es mit dem Christentum friedlicher auf der Welt geworden?

Was bedeutet Weihnachten für uns selbst? Wichtiger als dieser Blick in die Geschichte ist die Antwort auf die Frage, welchen Sinn wir dem Weihnachtsfest selbst geben. In Teilen der Welt wird Weihnachten als säkulares Hochfest des Kommerzes ganz ohne religiöse Deutung gefeiert. Wenn aber weder die «Ware Weihnacht» noch die Xmas-Sentimentalität in den Medien dem Fest einen tragfähigen Sinn geben können, dann sind wir aufgefordert, nach einem religiösen Kern des Weihnachtsfestes zu suchen, der zu unserem Gottes- und Jesusbild passt. Zwei Nachdenkimpulse für den Unterricht:

  • Stiftet ein von seinen theologischen Wurzeln befreites «Fest der Geschenke» Lebenssinn? Macht es glücklich?
  • Sehen wir das weihnachtliche Entertainment der Medien und die digitalen Weihnachtsgrüße an! Wie nah oder wie fern sind diese Deutungen von unserer eigenen Deutung von Weihnachten? Warum feiern wir Weihnachten (nicht)?
  • Was bedeutet, dass Jesus Retter, Herr und Christus (König) genannt wird? Sind diese Titel eingelöst? Brauchen wir neue, andere Ehrennamen für Jesus?

Theologische Impulse, um das zu bedenken, geben Bilder der Kunstgeschichte, ein Choral oder eine Arie aus Bachs Weihnachtsoratorium – oder eben die biblischen Weihnachtsgeschichten selbst.

Zum Schluss: Was machen wir mit der Jungfrauengeburt? Zur historischen Kritik im Religionsunterricht. Zwei vorweihnachtliche didaktische Gedanken

Die Geburtsgeschichten von Matthäus und Lukas verwenden Narrative, um etwas über Jesus zu sagen. Eines davon ist das Bild der jungfräulichen Geburt, das weder Markus noch Johannes noch Paulus kennen, das aber leider einen zentralen Platz im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekommen hat. Nach meiner Erfahrung gibt es keinen klugen Weg, dieses Bild einer wundersamen Geburt didaktisch fruchtbar zu machen. In meinem Unterricht spielt es keine Rolle. Die Geburtsgeschichten Jesu enthalten auch ohne sie viel Geheimnisvolles, das wir oben aufgezählt haben.

Sollte die Frage der Jungfrauengeburt von Schülerinnen und Schülern dennoch angesprochen werden, verweise ich darauf, dass es für die Evangelisten unmöglich war, die historische Wahrheit herauszufinden. Deshalb schrieben sie keinen Bericht einer Geburt, sondern eine theologische Erzählung. Außerdem: Ob
und wann eine Frau und ein Mann vor vielen Jahrhunderten miteinander geschlafen haben oder nicht, ist Privatsache. Nachforschungen dieser Art sind indiskret und irrelevant.

Wurde Jesus wirklich in Bethlehem geboren? Etwas anders ist es mit dem Ort der Geburt. Jesus wuchs im galiläischen Nazareth auf und lebte dort auch als Erwachsener. Wurde er vielleicht gar nicht im jüdischen Bethlehem geboren?

Die einzig mögliche Antwort: Wir wissen es nicht, und wir werden es auch nicht herausfinden. Die Evangelisten konnten nicht (wie bei ihren Erzählungen von der Kreuzigung) auf eine lange Erzähltradition zurückgreifen. Sie hatten keine historischen Quellenberichte. Wir sind nicht klüger als sie und können auch nur vermuten. Doch eines sollten wir bedenken:

Auch wenn Jesus nicht in Bethlehem geboren ist, ist es doch möglich, dass seine Vorfahren aus Betlehem stammten.

Denn in Galiläa, dem Gebiet des ehemalige Nordreiches Israel, wohnten Menschen aus Judäa erst seit der Zeit Hasmonäer, also etwas hundert Jahre vor der Geburt Jesu. Auch Nazareth wurde im ersten Jahrhundert v. Chr. von Juden aus dem Süden des Landes neu besiedelt. Es ist sehr gut möglich, dass auch aus der kargen Landschaft um Bethlehem Menschen in das klimatisch angenehmere und fruchtbare Nazareth übersiedelten. Es ist weiter denkbar, dass auch Großvater oder der Urgroßvater des Josef, des Vaters Jesu, unter ihnen war. So erklärt es sich, dass sich die Herkunftsfamilie als Nachkommen des großen Königs David verstand. Denn der war 1000 Jahre zuvor ebenfalls in Bethlehem geboren und aufgewachsen. Dann wäre der Titel Davidssohn mehr als ein unhistorischer Ehrenname für Jesus. Die biblische Notiz «… weil er (Jesus) von dem Hause und Geschlechte Davids war (Lk 2,2)» hätte dann doch einen geschichtlichen Hintergrund.

Hier schließlich die Antworten auf die Fragen zum Beginn dieses Beitrags.

  1. «Kommt, wir gehen nach Bethlehem, um zu sehen, was da geschehen ist.» (Lk 2,15).
  2. Es ist zwei Könige: Die biblischen Weihnachtsgeschichten nennen Herodes und Jesus einen König. Zwei sehr unterschiedliche Könige! Der eine erschrickt, weil der hört, dass ihn die Sterndeuter nach dem König der Juden fragen. Ist nicht er der König des Landes? Auch der Engel, der Maria erscheint, spricht von Jesus als einem König: «Sein Königreich wird nie zu Ende gehen» (Lk 1,33). Der Gekreuzigte schließlich wird von Pilatus als König bezeichnet (INRI). So schließt sich am Beginn und am Ende des Lebens Jesu der theologische Kreis. Die Astrologen im Matthäusevangelium, die dem Stern folgten, waren gelehrte Forscher, keine Könige.
  3. «Euch ist heute der Heiland (der Retter) geboren, welcher ist Christus (Messias, König), der Herr (auch Kaiser Augustus hatte sich diesen Titel zugelegt), in der Stadt Davids.» Lk 2,11)