An einem Dialog beteiligen sich alle Gesprächspartner mit ihrem ganzen Sein, denn nicht nur die Sprache und die Botschaft liegen dem Gedankenaustausch zugrunde. Etwas Ähnliches gilt für die Liturgie, die als ein Dialog zwischen Gott und Mensch beschrieben werden kann. Deswegen können ihre wesentlichen Elemente Gebet, Musik und Wort Gottes nicht das gesamte liturgische Geschehen abbilden. Zwei weitere Elemente fehlen, nämlich Gott und die Mitfeiernden. Das bedeutet, dass die Liturgie eine Begegnung von Person zu Person ist – von Gott als Person zu den Mitfeiernden und umgekehrt – und das ganze Dasein einbezieht, einschliesslich unseren Leib. Körperliche Ausdrucksformen des menschlichen Daseins wie Körper- und Gebetshaltungen sind sehr wichtig, damit der Gottesdienst konkret und kraftvoll sein kann. In diesem Artikel stehen die Körperhaltungen im Mittelpunkt.

Die folgenden Verben stellen die wichtigsten Körperhaltungen in der Liturgie dar: gehen, sitzen, stehen, knien und niederknien. Eine kurze Beschreibung jedes Verbs und seiner Bedeutung wird mit einigen Handlungen vor, während und nach dem Gottesdienst veranschaulicht.

Gehen

Gott versammelt das Volk in der Kirche. Dies ist der erste Moment in jeder Liturgie und wird von einer vorangehenden Handlung begleitet: dem Gehen. Christen und Christinnen gehen zur Kirche, um mit Jesus Christus zu feiern, der in seinem ganzen öffentlichen Leben „gehend“ war. Die Gläubigen betreten die Kirche und gehen einen mehr oder weniger langen Weg nach vorne bis zur Bank, in Richtung des Altars, der Jesus symbolisiert. Dieser Weg zum Altar wiederholt sich während der Kommunionausteilung, wenn die Gläubigen die Eucharistie empfangen gehen. Das Gehen zum Altar ist eine Metapher für die Begegnung mit Gott am Ende der Zeit, wenn alle Völker zu ihm gehen werden, wie der Prophet Jesaja oft in seinem Buch schildert. Die christliche Dimension der Sendung in die Welt drückt sich beim Hinausgehen aus der Kirche aus, wenn die Mitfeiernden gestärkt durch die Feier die Kirche verlassen, um in ihrem Alltag im Namen Jesu und im Dienst der Nächsten zu leben und den anderen von Jesus zu erzählen.

Sitzen und Stehen

Die Mitfeiernden betreten die Kirche und nehmen in einer Bank Platz. Mehrmals werden sie im Laufe des Gottesdienstes aufstehen und sich setzen. Beide Haltungen haben ihre Bedeutung und Auswirkungen. Die Gläubigen sitzen, während der Lektor oder die Lektorin die Lesungen vorträgt sowie der Kantor oder die Kantorin den Antwortpsalm psalmodiert. So dürfen die Mitfeiernden die Lesungen in bequemer Haltung hören, weil sie ihre Konzentration auf die Worte der Lesungen und die damit verbundenen Bilder und nicht auf die stehende Position der Beine richten können. Sie können auf die abschliessende Abschlussakklamation des Lektors aufmerksam antworten und den Kehrvers im Antwortpsalm konzentriert aussprechen. Während die Person sitzt, kann sie nicht nur neue körperliche Kraft schöpfen, sondern auch spirituelle Kraft aus der Aufnahme des Wortes Gottes gewinnen.

In anderen Momenten wie bei Einzug und Eröffnung sowie beim Evangelium stehen alle Mitfeiernden auf. Der stehende Körper betont den Beginn und den Abschluss der Feier sowie die Relevanz des Evangeliums, das von den Taten und Worten des Herrn, Bruders und Lehrers Jesu berichtet. Zudem betont das Stehen, dass die Person körperlich, geistig und seelisch ganz präsent ist und Respekt vor dem Handeln und den Äusserungen Jesu zeigt.

Niederknien und Knien

Wie vor einem König knien die Gläubigen vor allen Orten nieder, die Gott und insbesondere Jesus symbolisieren: dem Altar, dem Tabernakel, dem Taufstein usw. Manchmal knien sie auch vor Marien- und Heiligendarstellungen nieder. Das Niederknien unterscheidet sich von der Verbeugung. Beide zeigen Respekt vor etwas, aber beim Niederknien zeigt das Knie auf dem Boden, dass man Gott dort auf intensivere Art und Weise begegnet. Gott ist sozusagen der Besitzer dieses Raums, weshalb man mit grosser Ehrfurcht eintritt. Deshalb kniet der Vorsteher in der Eucharistiefeier als Erster und Letzter vor dem Altar nieder, weil der Altarraum, in den er bald eintritt oder aus dem er nach dem Gottesdienst wieder hinausgeht, ein Ort der Präsenz Gottes ist. Auch alle Mitfeiernden, die während des Gottesdienstes einen Dienst übernehmen und sich nicht bereits im Altarraum befinden, knien vor dem Altar nieder.

Während der Vorsteher bei der Konsekration zwei Mal vor den Gaben niederkniet, verharren die Gläubigen in dieser ganzen Zeit in den Bänken oder auf dem Boden kniend. Das Knien des Volkes hebt die Konsekration hervor, weil die Gaben zum Leib und Blut Christi werden.

Körperhaltung: ganzes Dasein vor Gott

Die beschriebenen Körperhaltungen in der Liturgie verdeutlichen, dass sie mögliche Bewegungen und Haltungen eines jeden gesunden Menschen und an sich nicht spezifisch liturgisch sind. Trotzdem erhalten sie im Gottesdienst eine besondere Bedeutung, die sie im normalen Alltag nicht haben: Ich kann knien oder niederknien, um den gefallenen Löffel vom Boden aufzuheben, aber das hat nicht das gleiche Gewicht, wie wenn ich unmittelbar vor der Lesung den Kirchengang beschreite und vor dem Altar niederknie oder während der Konsekration in der Bank knie. Im Dialog mit Gott geschieht das kleine Wunder, dass das Alltägliche aussergewöhnlich wird und dies gilt auch für das Gehen, Sitzen usw. Aus diesem Grund sind die Körperhaltungen wichtig, weil sie besondere Akzente im Gottesdienst setzen und Gelegenheiten für die Begegnung mit Gott ermöglichen.