Wenn eine Person einen neuen Raum betritt, kann sie oft unterschiedliche Gefühle erleben: Neben Neugier können auch Unsicherheit und das Gefühl, sich nicht wohlfühlen zu können, aufkommen. Eine ähnliche Situation kann sich vor einem Erstkommunions- oder Familiengottesdienst in einer Kirche ergeben, besonders für diejenigen, die nicht mehr kirchensozialisiert sind. Wie können wir den Mitfeiernden positive Emotionen vermitteln und gemeinsam mit ihnen sowie allen anderen kraftvoll feiern?

Seit einigen Jahrzehnten beschäftigt sich ein Begriff intensiv mit der Antwort auf diese Frage: Willkommenskultur. Ursprünglich bezog sich dieser Terminus auf den ersten Empfang von Flüchtlingen im Ankunftsland. Im Laufe der Zeit wurde dieser Begriff in der anglikanischen, evangelischen und katholischen Kirche übernommen und vor allem auf die Liturgie angewendet.

Einladende Haltung für alle

Willkommenskultur ist in erster Linie eine einladende Haltung. Die Person, die sie praktiziert, sucht aktiv die Nähe zu Menschen, sei es in der Kirche oder anderswo. Die Evangelien berichten von einer ähnlichen Haltung Jesu gegenüber den verschiedenen Menschen, die er traf: Er sah Zacchäus auf einem Baum und sprach ihn sofort an. Wer diese einladende Haltung mit Freude und Anpassungsfähigkeit verbindet, kann mit anderen leicht in Kontakt treten und die Bedürfnisse der Ankommenden vor dem Gottesdienst wahrnehmen: Einige bevorzugen vielleicht ein kurzes Gespräch, während andere eine einfache Begrüssung schätzen. Darüber hinaus kann diese Person andere dazu ermutigen, sich ebenfalls an der Willkommenskultur zu beteiligen, wodurch eine positive Kettenreaktion entsteht.

Willkommenskultur in der Liturgie bedeutet, Aufmerksamkeit für die Mitfeiernden und für Details rund um die Liturgie zu haben. Zum Beispiel sollte die Lautstärke des Mikrofons am Ambo oder am Altar angemessen sein. Gibt es Menschen in der Kirche, die schwerhörig oder sehbehindert sind? Sind die Informationen über die Gottesdienste im Pfarreiblatt korrekt formuliert?

Willkommenskultur kann nicht nur von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Pfarrei umgesetzt werden, sondern jeder Pfarreiangehörige kann eine einladende Haltung zeigen. Der Pfarrer kann am Sonntag eine klare und verständliche Sprache verwenden, besonders wenn Kinder anwesend sind. Die Lektorin kann die Lesung deutlich und motiviert vortragen. Die Kommunionhelferin kann die Kommunion ruhig und mit einer freundlichen Stimme austeilen. Ein Begrüssungsteam aus der Pfarrgemeinde kann vor der Kirchentür stehen, die Mitfeiernden herzlich begrüssen, ihnen die notwendigen Unterlagen für die Liturgie (z.B. Feier- und Liedblatt) aushändigen und auf freie Plätze in der Kirche hinweisen. Ein freundliches erstes Wort kann eine Beziehung aufbauen und den Mitfeiernden ermöglichen, die Liturgie aktiv mitzuerleben.

Gemeinschaftsbildende Musik

Darüber hinaus trägt die Kirchenmusik, die generell einen bedeutenden Platz in der Liturgie einnimmt, wesentlich zur Willkommenskultur bei. Bekannte Lieder werden von den Mitfeiernden gerne und mit sicherer Stimme gesungen. Um das Repertoire zu erweitern, kann man die Mitfeiernden zu einer kurzen Liedprobe einige Minuten vor dem Gottesdienst einladen. Auch die angemessene Anzahl der Lieder kann die liturgische Atmosphäre beeinflussen: Sowohl eine vollständig gesungene Messe als auch ein einziges Lied nur bei der Eröffnung könnte sich nachteilig auswirken.

Gastfreundschaft

Abschliessend gibt es noch ein schönes Synonym für Willkommenskultur, das andere Facetten beleuchtet: Gastfreundschaft. Der Begriff bringt zwei ähnliche Substantive hervor: Gastgeber und Gast. Um Gäste zu haben, ist eine Einladung notwendig. Jeder ist eingeladen, am Gottesdienst teilzunehmen. Willkommenskultur bedeutet auch, dass Gläubige andere Gläubige – auch Distanzierte und Säkulare – zur Liturgie einladen können. Das andere Wort, Gastgeber, hat nämlich mit Gott zu tun. Gott ist eigentlich derjenige, der zur Liturgie einlädt. Diejenigen, die Gastfreundschaft pflegen, sind Gastgeber im weiteren Sinne, weil sie sich von Gott berührt fühlen und handeln, damit diese Berührung auch bei anderen Kindern Gottes geschehen kann.

Positiv, einladend und gastfreundlich: Alle Gläubigen können diese Haltung in der Kirche, zu Hause und überall einnehmen und auf andere übertragen, damit die Liturgie kraftvoll wird… und der Glaube insgesamt!

Checkliste Willkommenskultur aus Monika Bechler u.a., Gott feiern. Liturgie verstehen und gestalten, Luzern 2022, S. 73:

  • Wie habe ich von diesem Gottesdienst erfahren? Über Social Media, den Schaukasten oder das Pfarrblatt? Waren alle Informationen verständlich oder was genau ist ein «Gottesdienst mit Eucharistiefeier»? Gibt es Parkplätze? Wie lange dauert die Feier?
  • Wie wurde ich zu diesem Gottesdienst eingeladen? Durch eine vertraute Person? Sind wir zusammen zur Kirche gegangen oder gefahren?
  • Wie wirkt der Kirchenraum auf mich, wenn ich allein in der Kirche bin? Fühle ich mich so wohl, dass ich hier auch einmal mitfeiern möchte?
  • Wenn ich die Kirchentür öffne, was erwartet mich da? Ein dunkler Vorraum? Eine Person, die mich anlächelt und mir ein Gesangbuch oder Liederblatt reicht? Unruhiges Herrichten und die letzte Probe der Ministrantinnen und Ministranten oder eine Stille, die zum Meditieren einlädt?
  • Stehen Übersetzungen für Mitfeiernde zur Verfügung, die mit der deutschen Liturgiesprache nicht vertraut sind?
  • Wenn ich Kinder habe: Gibt es einen eigenen Bereich für Kinder? Wo sind die grössten Empfindlichkeiten bei den anderen Mitfeiernden?
  • Welche Musik holt mich in die Feier hinein? Ist das erste Lied bekannt?
  • Wo darf ich sitzen? Wie (un-)bequem ist diese Sitzgelegenheit?
  • Was strahlen Vorstehende und liturgische Dienste aus, wenn sie in Aktion treten?
  • Wie ist die Sprache z. B. der Begrüssung oder der Predigt?
  • Gibt es nach der Feier einen Apéro, bei dem ich ein herzliches Willkommen spüren darf?
  • Habe ich die Möglichkeit, anonym oder mündlich ein Feedback zu geben?