Was geschieht mit Bibeln, die durch neue ersetzt werden? Dieses Problem stellte sich akut im vergangenen Kalenderjahr. Auf evangelischer Seite kam eine revidierte Luther-Bibel, auf katholischer Seite die erste Revision der Einheitsübersetzung auf den Markt. Bildungsinstitutionen und Pfarreien, die ganze Klassensätze von Bibeln besitzen, waren besonders gefordert. Sich mit der neuen Bibelübersetzung auszurüsten bedeutete, auf einmal einen Berg «veralteter» Bibeln vor sich zu haben. Diese Situation nahmen das Religionspädagogische Institut (RPI) der Universität Luzern und das Schweizerische Katholische Bibelwerk (SKB) zum Anlass, unter dem Motto «transformiert statt ausrangiert» den Wettbewerb «bibelwerken» zu lancieren. Der Aufruf lautete, aus mindestens zwölf ausgemusterten Bibeln etwas Neues zu schaffen, Heilige Schrift also zu verwandeln, statt sie wegzuwerfen.

16 unterschiedliche Ideen

Der Aufruf zeigte Wirkung. Die Ausschreibung motivierte zum Mitmachen. Bis zum Einsendeschluss am 14. Februar 2018 trafen 16 Beiträge ein, die den Vorgaben entsprachen. Acht davon stammten von Einzelpersonen, acht davon von Teams oder grösseren Gruppen wie Schulklassen. Ein Beitrag davon stammte von einer Pfarrei.

ie Projekte sind alle über die bibelwerken-Homepage einsehbar. Sie repräsentieren eine Vielfalt an Ideen und Reflexionen zum Thema «Heilige Schrift» und zum Umgang damit. «Gott würde heute mit dem Smartphone kommunizieren», formulierte zum Beispiel eine 6. RU-Klasse aus Horw, und hat kurzerhand ein Smartphone aus Bibeln gebaut. Die Idee, dass die Bibel «tragendes Fundament der Nachtruhe» sein kann, und der siebte Vers von Psalm 67 inspirierten eine andere Teilnehmerin dazu, einen Prototyp für Betten in einem kirchlichen Bildungshaus zu entwerfen. Die 5. KUW-Klasse der reformierten Kirchgemeinde Stettlen hat ihrerseits einen Raum mit Bibel-Tapete ausstaffiert – um die Bibel nicht nur als Denkmal, sondern auch als «Fühlmal» zugänglich zu machen.

Neben Projekten, die inhaltlich in die Tiefe gingen und von grosser künstlerischer Sorgfalt zeugen – so etwa der Austausch zwischen einer Künstlerin und einer Religionspädagogin –, trafen auch Beiträge ein, die zum Schmunzeln einladen, wie z. B. der Kurzfilm einer 6. Klasse aus Oberägeri.

Projekte selber prämieren!

Die Idee eines Wettbewerbs ist es, dass es GewinnerInnen gibt. Für «bibelwerken» hat sich eine fünfköpfige Jury zusammengesetzt, um anhand verschiedener Kriterien drei Projekte auszuzeichnen. Eine Rolle spielten z. B. die Art der Verwandlung, die Sorgfalt in der Ideenumsetzung, die Tiefe der thematischen Auseinandersetzung oder auch die bibelpastorale Reichweite. Der erste Preis wurde dem Pfarreiprojekt verliehen, der zweite Preis ging an einen Kurzfilm, der dritte an eine 8. RU-Klasse. Bewusst wurde allerdings darauf verzichtet, am Ende nur die prämierten Projekte zu präsentieren. Von Anfang an war es den Verantwortlichen von «bibelwerken» wichtig, dass das Gespräch um «Heilige Schrift» über den Wettbewerb hinaus weitergeht. Über die Homepage, die längerfristig zugänglich bleibt, sind zum Beispiel alle eingeladen, sich selber zu fragen, welchen Beitrag sie warum prämieren würden. Um eine Prämierung z. B. im Rahmen des RU vornehmen und diskutieren zu können, sind alle Beiträge in einem PDF gesammelt zugänglich. Druckt man das Dokument aus, kann man die 16 Beiträge separat betrachten, gruppieren und als Grundlage eines Austausches über Ideen und Kriterien verwenden.

Über christliche Bibeln hinaus …

Der Wettbewerb «bibelwerken» wirft die Frage nach dem Umgang mit heiligen Texten auf, die nicht mehr benutzt werden. Der Wettbewerb baute darauf auf, dass es im Christentum keine feste Regel dafür gibt, wie mit Heiliger Schrift umzugehen ist, wenn sie nicht mehr benutzt wird. Bereits diese Tatsache mag neugierig machen, wie die Praxis in anderen Religionstraditionen aussieht. Im RU kann dies dazu motivieren, dass sich die Kinder oder Jugendlichen kundig machen, wie zum Beispiel im Islam oder im Judentum heilige Texte «bestattet» werden. So gibt es die Tradition, heilige Texte in einem abgeschlossenen Raum zu lagern – im Judentum nennt man einen solchen Raum Genisa. Dank dieser Tradition gab es sogar schon manchen interessanten Handschriftenfund bei archäologischen Ausgrabungen. Auch Buchbeerdigungen oder Wasser-Bestattungen, um die Tinte zu löschen, sind in anderen Religionen als Bräuche bekannt. Der Wettbewerbsbeitrag Bibel-Grab hat bewusst an die Idee einer Beerdigung angeknüpft.

… zur Heiligkeit von Texten

Sich in einem interreligiösen sowie auch säkularen Kontext Gedanken zur eigenen religiösen Tradition zu machen, eigene Wertvorstellungen und Bräuche mit denen anderer Menschen und Religionsgemeinschaften ins Gespräch zu bringen, dazu möchte «bibelwerken» über den eigentlichen Wettbewerb hinaus anregen. Wer nicht selbst beim Wettbewerb mitgemacht hat, ist eingeladen, die Ergebnisse zum Ausgangspunkt nehmen, um das Thema «Heilige Schrift» weiter auszuloten:

  • Was macht einen Text überhaupt heilig? Wie wesentlich sind Kriterien wie «Friede», «Solidarität» oder «Freiheit», die beispielsweise das erstplatzierte Projekt 1000 Kraniche für den Frieden ins Zentrum stellt?
  • Welchen Stellenwert sollen so genannte «Heilige Schriften» in unserer Gesellschaft haben? Zu dieser Frage mag etwa der prämierte Kurzfilm Heimweg als Input dienen.
  • Christlicherseits gibt es «Kinderbibeln», also «Heilige Schrift», die man kindergerecht präsentiert. Welche Typen von Kinderbibeln sind diesbezüglich tragfähig, welche sind unter Umständen problematisch?
  • Wie präsentieren andere Religionen ihre heiligen Schriften Kindern? Hierzu bietet z. B. das kürzlich erschienene Themenheft der Zeitschrift Bibel und Kirche weiterführende Infos.

Der Wettbewerb «bibelwerken» wurde als partizipatives Projekt konzipiert. Damit es gelingt, die Dynamik weiterzuziehen, sind auch Ihre weiterführenden Ideen gefragt!