„Halleluja“ ist kein beliebiger Jubelruf. Sagt oder singt man „Halleluja“, spricht man bereits einen ganzen Satz Hebräisch. Im Ruf steckt zum einen hallelu, der Imperativ Plural des Verbs hillel(„loben/preisen“), zum anderen der Name Jah. „Lobt Jah!“, heißt der Satz also wörtlich übersetzt. Eine Gemeinschaft wird dazu aufgefordert, Jah zu loben.

Jah ist die Kurzform von „Jahwe“, dem Namen Gottes, den man hebräisch mit den vier Konsonanten J-H-W-H schreibt. Die Übersetzung „Lobt Gott!“, der man häufig begegnet, unterschlägt, dass Gottes Name explizit genannt wird. Durch die Nennung des Namens kann man beim Halleluja inhaltlich mitschwingen hören: „Lobt diesen, unseren wahrhaftigen Gott Jah(we)!“ Wer ins Halleluja einstimmt, bekennt damit grundsätzlich, sich nicht Götzen oder irdischen Möchtegern-Göttern oder -Göttinnen unterwerfen zu wollen.

Biblisch: Ein Satz mit Programm

Auch Psalm 113 veranschaulicht, was es heißt, den Namen Gottes, also JHWH zu preisen und damit auch zu heiligen, wie es in jedem „Vater unser“ formuliert wird. Wenn man diesen Psalm in der Einheitsübersetzung oder in einer anderen klassischen Übersetzung liest, muss man sich einmal mehr bewusst sein, dass im hebräischen Originaltext bei jedem „Herr“ eigentlich der Gottesname JHWH steht (vgl. den Text in der rechten Tabellenspalte).

Nach Psalm 113 bedeutet das JHWH-Lob, sich zusammen mit anderen in den Dienst eines Gottes zu stellen, mit dem man eine konkrete Heilsdynamik verbindet. Der Name ist Programm. Man will sich bewusst JHWH, der höchsten kosmischen Ordnungsinstanz zu- und unterordnen (vgl. die Bezeichnung „Knechte JHWHs“ in Vers 1), dem souveränen Göttlichen, das sich aus höchster Höhe speziell den schwächsten Kreaturen und sozial Randständigen zuwendet (vgl. die Verse 6–9).

Wer sich biblisch auskennt, merkt: Diesen Gott haben etwa auch Hanna, die Mutter Samuels (1 Samuel 2) und Maria von Nazareth besungen (Lukas 2). Sich von dieser Programmatik, die an den Namen Gottes gebunden ist, trösten zu lassen, im Rahmen des Möglichen aber auch daran mitzuwirken, gehört biblisch gesehen zum Halleluja mit dazu.

Händels Halleluja: Ein Lob auf Gottes Heilshandeln in Jesus Christus

Mit dem Oratorium „Messiah“ von Georg Friedrich Händel (1685–1759) gelangen wir ins Europa des 18. Jahrhunderts. Händel komponierte es 1741. Die Uraufführung des im Original englischsprachigen Stücks fand im April des darauffolgenden Jahres in Dublin statt. Den Text und damit auch das christlich-theologische Programm übernahm Händel vom Librettisten Charles Jennens. Dieser schuf aus Bibelversen, die er vorwiegend dem Alten Testament entnahm, eine Art Textcollage. Obwohl der Name Jesus nur ein einziges Mal vorkommt, stellt diese Collage bei näherem Hinsehen einen großen, dreiteiligen christologischen Hymnus dar, ein bekennendes Loblied auf Gottes Rettungstat an den Menschen durch Jesus, seinen Gesalbten (griechisch: Christus; hebräisch: Messias).

Im ersten Teil des Stücks sind die Messiasverheißung und ihre Erfüllung in der Geburt Jesu Thema. Der zweite Teil handelt vom Leiden und Tod Jesu, von seiner Auferstehung, Himmelfahrt und der Verbreitung des Evangeliums. Der dritte und letzte Teil rückt die christliche Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten ins Zentrum.

Der Halleluja-Chorus (Nr. 39) bildet den pompösen Abschluss des zweiten Oratoriumteils. Er muss selbst dem damaligen König Georg derart Eindruck gemacht haben, dass er beim Hören aufgestanden ist. Allerdings wird auch gemunkelt, dass er versehentlich gemeint habe, es handle sich um den Schluss der Aufführung. Von Pauken und Trompeten begleitet, singt hier der Chor den folgenden Text:

er Text setzt sich aus Versen der Johannesoffenbarung zusammen. Zitiert werden himmlisch-kosmische Stimmen, in denen Gotteslob, Bekenntnis und Verheißung verschmelzen. Wie in Psalm 113 wird die Größe Gottes besungen. Das göttliche Heilshandeln ist hier auf leidende Gerechte bezogen, auf Menschen also, die gut zu leben versuchen, dabei jedoch unter die Räder kommen. Dies erschließt sich aus dem literarischen Kontext, dem die Zitate entstammen. Sowohl in Offenbarung 11,15–18 als auch in Offenbarung 19 geht es um ein wort- und bildgewaltiges Besingen eines Gottes, der sich am Ende als stärker erweist als alle Mächte und Kräfte, die die aktuelle Welt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner destruktiv beherrschen. Die Zeit wird kommen, darauf vertraut man, dass Gott die Übermächtigen, die die Erde verderben, zur Rechenschaft zieht (vgl. Offb 11,18). Angesichts all der Gewalt, die aus den Versen spricht, darf nicht vergessen gehen, dass es insgesamt um eine Perspektive geht, die den Geplagten, die unrechtmäßig Gewalt erleiden, Trost spenden soll.

In Händels Oratorium folgen die Worte aus der Offenbarung einer doppelten Nachricht: einerseits auf die gute Kunde, dass sich das Friedensevangelium verbreitet habe (Duett und Chor Nr. 34–35, „How beautiful …“), andererseits auf die Feststellung, dass es auf der Welt noch immer Kräfte gibt, die sich gegen Gott verbündet haben (Bass-Arie Nr. 36, „Why do the nations …“). Der Chorus Nr. 39 mit der dreifachen Programmatik der Offenbarungstexte (Lob, Bekenntnis und Verheißung) bildet den Höhepunkt der Antwort darauf: Gegen Gott werden sie zu gegebener Zeit nichts ausrichten können. Auch dies mag Trost spenden, regt aber auch zur kritischen Selbstreflexion an: Von welchen Kräften lässt man sich selbst leiten? Welcher Art von Weltordnung verhilft das eigene Tun und Lassen zum Durchbruch? Ob sich König Georg während oder nach dem Konzert auch solche Fragen gestellt hat, sei dahingestellt.

Indem er den zweiten Oratoriumteils abschließt, schlägt der Halleluja-Chorus die Brücke zum Schlussteil, der von der Auferstehungshoffnung spricht. Als Kehrseite der Vernichtung des Bösen kommt nun das heilvolle Geschick der auf Erden Geplagten in den Blick. Das Halleluja wird damit definitiv auf den Gott hin transparent gemacht, der auf ihrer Seite steht. Sie alle dürfen hoffen, die volle Umsetzung der Bitte zu erleben, die in jedem „Vater unser“ artikuliert wird: „Dein/JHWHs Reich komme!“

Händels Oratorium veranschaulicht auf kunstvolle Art die christliche Praxis, das Halleluja (auch) christologisch geprägt zu singen: als Lob des Heilshandeln Gottes in Jesus Christus. Liturgisch erreicht dies jedes Jahr im Oster-Halleluja seinen Höhepunkt. Auch das Oratorium „Messiah“ war ursprünglich zur Aufführung auf Ostern hin gedacht. Aufführungen an Weihnachten erinnern daran, dass die Menschwerdung des Gottessohnes im Stück ein wichtiges Thema ist. Indem das Oratorium theologisch einen Bogen zwischen Menschwerdung und Auferstehung schlägt, verklammert es zugleich Weihnachten und Ostern.

Aus christlicher Perspektive könnte man versucht sein, im Halleluja nur noch ein Christuslob zu sehen. Das „Jah“ im Ruf erinnert daran, dass die christologische Perspektive letztlich in ein größeres Ganzes eingebettet bleibt: In eine göttliche Heilsdynamik, die auch vor und neben einer christologischen Zuspitzung Geltung hat.

Leonard Cohens gebrochenes Halleluja

Cohen hat den Song Hallelujaherstmals 1984 für die Platte „Various Positions“ eingespielt. Mehrere Jahre soll er daran gearbeitet und insgesamt rund achzig Strophen geschrieben haben. Für die Erstaufnahme – beim Singen variierte er den Text dann immer wieder – wählte er die folgenden vier aus:

 

  1. I‘ve heard there was a secret chord / that David played, and it pleased the Lord / but you don’t really care for music, do you? / It goes like this: the fourth, the fifth, / the minor fall, the major lift. / The baffled king composing Hallelujah. [Ref.: Hallelujah …]
  2. Your faith was strong but you needed proof. / You saw her bathing on the roof; / her beauty and the moonlight overthrew you. / She tied you to a kitchen chair, / she broke your throne, she cut your hair, / and from your lips she drew the Hallelujah. [Ref.: Hallelujah …]
  3. You say I took the Name in vain; / I don’t even know the name. / But if I did, well, really, what’s it to you? / There’s a blaze of light in every word; / it doesn’t matter which you heard, / the holy, or the broken Hallelujah. [Ref.: Hallelujah …]
  4. I did my best; it wasn’t much. / I couldn’t feel, so I tried to touch. / I’ve told the truth, I didn’t come to fool you. / And even though it all went wrong, / I’ll stand before the Lord of Song / with nothing on my lips but Hallelujah. [Ref.: Hallelujah …]
     

Dem Song war zu Beginn kein besonderer Erfolg beschieden. Erst dank Cover-Versionen (Bob Dylan, John Cale, Jeff Buckley, Rufus Wainwright …), Talentshows (Susan Boyle etc.) und der Verwendung des Titels in Filmen wie „Shrek“ oder „Die fetten Jahre sind vorbei“ wurde er so bekannt, wie er heute ist.

Der Großerfolg eines Popsongs, der Gott erwähnt und zahlreiche biblischen Anspielungen macht, mag überraschen. Die Magie beginnt allerdings bereits bei der Musik. Auch wer nicht auf den Text achtet, wird von einer Akkordfolge gefesselt, die im zweiten Teil jeder Strophe eine besondere Spannung entwickelt. Der Refrain fängt diese auf und transformiert sie – von Mal zu Mal stärker gestützt durch den Chor – in ein trotzig-tröstliches Halleluja-Mantra.

Der Text unterstreicht das Magische. Er ist poetisch und voller Anspielungen, keinesfalls ein Gebetstext im engeren Sinn. Wer mit dem Du angesprochen wird, variiert über die Strophen hinweg. Nie ist es Gott, wie es für einen Psalm üblich wäre. Überhaupt spielt der Text mit Brüchen und Kontrasten. Gleich zu Beginn etwa ist davon die Rede, dass die Musik des biblischen David ein Geheimnis besessen habe. Man ist eingeladen, an 1 Samuel 16 zu denken, wo David als Musiktherapeut Sauls beschrieben wird, oder an die Tradition, in David den Verfasser und Komponisten der biblischen Psalmen zu sehen. Doch das Geheimnis wird sogleich preisgegeben, die konkrete Akkordfolge dieser gesegneten Musik gespielt und sogar benannt („the fourth, the fifth …“). Kühn beansprucht das Lied, selber diese gesegnete, magische Musik zu verkörpern.

Das Halleluja beinhaltet bei Cohen kein triumphales Gotteslob. Selbst ob es Gott gibt oder nicht, lässt das Lied letztlich offen (vgl. Strophe 3). Aber es insistiert, dass es etwas gibt, das in gebrochenen und gescheiterten Beziehungen (Strophe 4) und nach dem Zusammenbrechen eitler Selbstbilder (Strophe 2) zu tragen vermag.

„It’s a rather joyous song“, soll Cohen selbst über sein Hallelujahgesagt haben. Das passt weniger zu den traurig-tragischen Filmszenen, denen der Song als Soundtrack gerne zugeordnet wird. Mit Cohens „broken Hallelujah“ sind wir aber zum Beispiel unterwegs, wenn wir, wie es Olaf Trenn formuliert, „aufrichtig mit Jugendlichen über ihren und unsern Glauben sprechen und singen können […]. Denn jugendlicher Glaube formuliert sich – wie der Leonard Cohens – auf dem Wege, ist mal kalt, mal heiß, mal steil, mal gebrochen, häufig provokant, anstößig, vorläufig, suchend, kritisch und immer irritierend anders, als es sich manch ein Glaubenswächter wünscht.“ (Trenn, 2012, 31.)

Tiefe Wurzeln, tiefe Kraft

Der Streifzug von der Bibel über Händel zu Leonard Cohen hat verschiedene Facetten des Halleluja-Rufs aufgezeigt. Indem Religionsgemeinschaften damit fortfahren, Halleluja zu singen, bekennen sie sich zu seinen tiefen Wurzeln, bedienen sich aber auch seiner Kraft. Mit jedem Halleluja wird ein Stück Theologie der hebräischen Bibel bewahrt. Im Christentum bettet es auch das göttliche Heilshandeln in Jesus Christus in die lange, bewegte Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen ein. Und schließlich wird wohl mit jedem Halleluja ein Stück religiöse Magie zelebriert, die selbst auf Vernunft bedachte Theologinnen und Theologen und areligiöse Menschen berühren kann.

Links und Literatur zum Thema

a) Zum Thema Musik und Religionsunterricht/Katechese:

Bubmann, Peter/Landgraf, Michael (Hg.): Musik in Schule und Gemeinde. Grundlagen, Methoden, Ideen. Ein Handbuch für die religionspädagogische Praxis, Stuttgart 2006.

RelliS 25/3(2017) (= Themenheft „Musik“ u. a. zu Cohens „Hallelujah“; Inhaltsverzeichnis)

Trenn, Olaf: „A broken Halleluja“ — Vom Singen im Religionsunterricht und in der Konfirmandenarbeit, in: Zeitsprung. Zeitschrift für den Religionsunterricht in Berlin und Brandenburg 2 (2012), 30–34.

b) Zu den biblischen Hintergründen und der Rolle des Halleluja-Rufs in der röm.-kath. Liturgie:

Egger, Monika/Koch, Alois/Weibel, Walter: Halleluja, in: Jeggle-Merz, Birgit/Kirchschläger, Walter/Müller, Jörg (Hg.): Das Wort Gottes hören und den Tisch bereiten. Die Liturgie mit biblischen Augen betrachten (Luzerner Biblisch-Liturgischer Kommentar zum Ordo Missae 2), Stuttgart 2015, 33–51.

Gekürzte Fassung dieses Beitrags: Jeggle-Merz, Birgit/Kirchschläger, Walter/Müller, Jörg: Halleluja, in: Mit der Bibel die Messe verstehen 1: Die Feier des Wortes Gottes (Luzerner Biblisch-Liturgischer Kommentar zum Ordo Missae – Erschließung 1), Stuttgart 2015, 127–139.

c) Zum Halleluja im Oratorium „Messias“ von Georg Friedrich Händel:

Birnbaum, Elisabeth: Messias von Georg Friedrich Händel (Bibel & Musik), Stuttgart 2016, speziell 146–150. Eine empfehlenswerte Orientierungshilfe zum Oratorium, aus dem der Halleluja-Chorus stammt.

Händels Hallelujah-Chorusin der Interpretation durch den King’s College Choir auf YouTube (englische Fassung). Auf YouTube finden sich auch mehrere Versionen, die den laufenden Notentext präsentieren, was zum Nachverfolgen interessant sein kann.

d) Zu Leonard Cohens Lied „Hallelujah“:

Depta, Klaus: Hallelujah! Begegnung mit Leonard Cohen (Jahrgänge 8/9), in: RelliS 25/3(2017), 30ff.

Light, Alan: The Holy or the Broken. Leonard Cohen, Jeff Buckley, and the Unlikely Ascent of „Hallelujah“, New York 2012.

Hallelujah-Songgesungen von Leonard Cohen auf YouTube (Montreux 1985). Die einflussreichsten Coverversionen finden sich hierzusammengestellt.